Die genaue Ursache von ADHS ist bisher noch nicht bekannt. Allerdings vermuten Forscher, dass es mehrere Faktoren geben könnte, die zur Entwicklung von ADHS beitragen können.
Brauchen Sie zunächst einen Überblick? Lesen Sie als Erstes: Was ist ADHS?
ADHS: Ursachen & Risikofaktoren
Im Folgendem werden einige potenzielle Ursachen und Risikofaktoren vorgestellt, die die Entwicklung von ADHS begünstigen.
1. Ursache: Genetik als Risikofaktor
Menschen, die vor Kurzem mit ADHS (oder ADS) diagnostiziert wurden oder seit vielen Jahren bereits mit ADHS leben, sind oft beschäftigt mit der Frage: „Werden meine Kinder auch ADHS haben?“ Die Antwort lautet: Es kommt darauf an.
ADHS ist in erster Linie eine Erbkrankheit. Es wird geschätzt, dass der Prozentsatz des genetischen Einflusses von ADHS über 70 % beträgt (1).
Trotz des starken genetischen Zusammenhangs bedeutet ADHS nicht automatisch, dass man es an sein Kind weitergeben wird. Dies liegt daran, dass eine Kombination von Genen und Umweltfaktoren bestimmt, ob das eigene Kind letztlich ADHS entwickelt.
Dabei können Kinder ADHS-Gene erben, ohne dass sie aktiviert werden. Hierzu ergab eine Forschungsstudie beispielsweise, dass ein Drittel der Väter mit ADHS Kinder hatte, die ebenfalls ADHS entwickelten (2).
Wenn man ADHS von einem Elternteil erbt, wird deren ADHS-Typ, ob unaufmerksam, hyperaktiv-impulsiv oder kombiniert, den eigenen ADHS-Typ nicht beeinflussen.
Wissenschaftler sind der Meinung, dass es nicht ein bestimmtes Gen gibt. Vielmehr wird die Annahme unterstützt, dass ein Zusammenspiel mehrerer Gene und der Umgebung vorliegt, welches die Manifestation von ADHS-Symptomen verursacht (3).
ADHS ist keine geschlechtsgebundene Krankheit. ADHS tritt also nicht nur bei Männern auf und wird somit nicht nur vom Vater an die Kinder weitergegeben. Oft haben Leute Gedanken wie: „Nur Väter können ADHS haben, und wenn der Vater kein ADHS hat, kann das Kind es unmöglich haben.“ Dies entspricht aber nicht ganz der Wahrheit (1).
Obwohl ADHS bei Männern häufiger auftritt als bei Frauen, ist es wichtig zu verstehen, dass sowohl Mütter als auch Väter ADHS haben können.
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2. Ursache: Aufnahme schädlicher Substanzen in der Schwangerschaft
Auch die Gesundheit und Gewohnheiten einer Mutter während der Schwangerschaft können eine Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von ADHS spielen. Schlechte Ernährung und Infektionen während der Schwangerschaft können beispielsweise das ADHS-Risiko erhöhen.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Einnahme von Substanzen während der Schwangerschaft das Risiko erhöht, dass das Kind ADHS entwickelt. Hier ist, was die Forschung sagt:
- Rauchen – Eine veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2018 ergab einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Rauchen während der Schwangerschaft und der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind ADHS hat. Das ADHS-Risiko war bei Kindern, deren Mütter starke Raucher waren, höher. Die Studie konnte nicht schlussfolgern, dass Rauchen ADHS verursacht, aber sie zeigte, dass ein Zusammenhang besteht.
- Alkoholkonsum der Mütter – Einige Studien haben ergeben, dass Mütter, die während der Schwangerschaft trinken, mit größerer Wahrscheinlichkeit Kinder mit ADHS bekommen. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass „der Konsum von mindestens vier alkoholischen Getränken oder der regelmäßige Konsum von niedrigen bis moderaten Alkoholdosen während der Schwangerschaft mit einer signifikant erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine spätere ADHS bei Kindern verbunden war. Dahingegen ergab jedoch eine Studie aus dem Jahr 2017, dass es keinen Zusammenhang zwischen mütterlichen Alkoholkonsum und eine klinische ADHS-Diagnose bei Kindern gibt. Diese Studie deutete darauf hin, dass Kinder einige Symptome von ADHS entwickeln können, wenn ihre Mutter Alkohol konsumiert haben, die jedoch meist nicht hinreichend sind für eine Diagnose.
Lesen Sie als Nächstes: Symptome von ADHS
3. Ursache: Bestimmte Krankheiten und Verletzungen als Risikofaktoren
Krankheiten wie Meningitis oder Enzephalitis können zu Lern- und Aufmerksamkeitsproblemen führen (4;5)
Ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung zeigt ADHS-Symptome als Folge einer Hirnschädigung, wie einer frühen Hirnverletzung, eines Traumas oder einer anderen Behinderung der normalen Gehirnentwicklung (6).
4. Ursache: Giftstoffe als Risikofaktor
Bleibelastung (auch in geringen Mengen) kann zu Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit führen. Blei kann an einer Vielzahl von Orten gefunden werden, z. B. in der Farbe von Häusern, die vor 1978 gebaut wurden, oder zuvor in Benzin (7).
Was verursacht keine ADHS
Durch die fortschreitende Forschung lernen wir nicht nur, was ADHS verursacht – wir lernen auch, was ADHS nicht verursacht. Obwohl manchmal angenommen wurde, dass die folgenden Dinge zur Entwicklung der Störung beitragen können, ist die Forschung sich sicher, dass diese Dinge nicht zu ADHS führen:
- Fernsehen
- Bestimmte Diät (z.B. erhöhter Zuckerkonsum)
- Hormonstörungen (wie Schilddrüsenunterfunktion)
- Schlechte Erziehung
- Video- und Computerspiele spielen
Häufig gestellte Fragen
Was sind die Auslöser für ADHS?
Obwohl ADHS nicht heilbar ist, kann man lernen, einen besseren Umgang damit zu entwickeln. Womöglich können Sie Ihre Symptome reduzieren, indem Sie Ihre individuellen Auslöser (Trigger) im Alltag identifizieren. Dabei sind häufige Auslöser: Stress, schlechter Schlaf, bestimmte Lebensmittel und Zusatzstoffe, Reizüberflutung und Technik. Sobald Sie verstehen, was Ihre ADHS-Symptome auslöst, können Sie die notwendigen Änderungen im Lebensstil vornehmen, um Episoden besser zu kontrollieren.
Ist ADHS ein Erziehungsfehler?
Eins vorweg: Eltern verursachen kein ADHS. Die Störung entsteht durch die Anhäufung vieler umweltbedingter und genetischer Risikofaktoren. Elternkritik ist jedoch beim Thema ADHS weit verbreitet. In einer Umfrage gaben sechs von zehn Müttern kleiner Kinder mit ADHS an, für ihre Erziehungsfähigkeiten kritisiert worden zu sein.
Leider gibt es hin und wieder Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Erziehung und ADHS hinweisen, was dieses Stigma oft unterstützt. Normalerweise sind die Zusammenhänge in diesen Studien jedoch nicht signifikant. Gelegentlich deuten die Studien jedoch auf eine Verbindung zwischen den Symptomen der Störung mit bestimmten elterlichen Fähigkeiten hin, wie z. B. inkonsequenter Disziplin. Das sind oft nur vereinzelte Studien, die jedoch für große Schlagzeilen sorgen.
Der Mythos, dass schlechte Erziehung ADHS verursacht, rührt auch von der Tatsache her, dass sich das Verhalten des Kindes verbessert, wenn Psychologen Eltern Erziehungskompetenzen beibringen. Das stimmt zwar, aber es stimmt auch, dass das Lehren von Erziehungskompetenzen die Symptome von ADHS nicht merklich verbessert.
Tatsache ist: Wenn ein Kind ADHS hat, haben seine Brüder und Schwestern im Vergleich zum durchschnittlichen Kind mit größerer Wahrscheinlichkeit auch ADHS. Das liegt aber größtenteils daran, dass ADHS einem genetischen Einfluss über 70 % unterliegt.
Hier sind einige Tipps, wie Sie mit Kindern, die unter ADHS leiden, am besten umgehen können.
Ist eine ADHS angeboren?
Die genaue Ursache der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung ist nicht vollständig geklärt, obwohl angenommen wird, dass eine Kombination von Faktoren (vorwiegend Umwelt und Genetik) dafür verantwortlich ist.
Nichtsdestotrotz ist ADHS primär eine Erbkrankheit. Es wird vermutet, dass der Prozentsatz des genetischen Einflusses von ADHS über 70 % beträgt. Somit sind die Gene, die Sie von Ihren Eltern erben, ein wesentlicher Faktor bei der Entwicklung der Erkrankung sind.
Untersuchungen zeigen somit, dass Eltern und Geschwister von jemandem mit ADHS mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst ADHS haben. Die Art und Weise, wie ADHS vererbt wird, ist jedoch wahrscheinlich komplex und es wird nicht angenommen, dass sie mit einem einzelnen genetischen Fehler zusammenhängt.
Was fehlt Menschen mit ADHS?
Hirnforscher haben herausgefunden, dass ein Mangel bestimmter Neurotransmitter vielen Erkrankungen zugrunde liegt, darunter Angstzustände, affektive Störungen und Zwangsstörungen. Mehrere Studien belegen, dass bei einer ADHS eine neurobiologische Stoffwechsel- und Funktionsstörung im Gehirn zugrunde liegt.
ADHS war die erste Störung, bei der festgestellt wurde, dass sie das Ergebnis eines Mangels an einem bestimmten Neurotransmitter – in diesem Fall Noradrenalin – ist, und die erste Störung, bei der festgestellt wurde, dass sie auf Medikamente anspricht, um diesen zugrunde liegenden Mangel zu beheben. Wie alle Neurotransmitter wird Noradrenalin im Gehirn synthetisiert. Der Grundbaustein jedes Noradrenalin-Moleküls ist Dopa; dieses winzige Molekül wird in Dopamin umgewandelt, das wiederum in Noradrenalin umgewandelt wird.
Daneben scheint ADHS eine beeinträchtigte Neurotransmitteraktivität in vier funktionellen Regionen des Gehirns zu beinhalten:
- Frontaler Kortex. Diese Region verwaltet Funktionen auf hoher Ebene: Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit, Organisation- und Exekutivfunktion. Ein Mangel an Noradrenalin in dieser Gehirnregion kann zu Unaufmerksamkeit, Organisationsproblemen und/oder Beeinträchtigung der Exekutivfunktion führen.
- Basalganglien. Diese neuronalen Schaltkreise regulieren die Kommunikation im Gehirn. Informationen aus allen Regionen des Gehirns gelangen in die Basalganglien und werden dann an die richtigen Stellen im Gehirn weitergeleitet. Eine Beeinträchtigung in den Basalganglien kann dazu führen, dass Informationen „kurzgeschlossen“ werden, was zu Unaufmerksamkeit oder Impulsivität führt.
- Limbisches System. Diese Region, die tiefer im Gehirn liegt, reguliert unsere Emotionen. Eine Beeinträchtigung in dieser Region kann zu Ruhelosigkeit, Unaufmerksamkeit oder emotionaler Volatilität führen.
- Aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem. Dies ist die wichtigste Schaltstelle unter den vielen Bahnen, die in das Gehirn eintreten und es verlassen. Eine ARAS-Beeinträchtigung kann zu Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder Hyperaktivität führen.
Diese vier Regionen interagieren miteinander, sodass eine mangelnde Aktivität oder eine Beeinträchtigung in einer Region zu einem Problem in einer oder mehreren der anderen Regionen führen kann. ADHS kann das Ergebnis von Problemen in einer oder mehreren dieser Regionen sein.
Abschlusswort von Mentalwohl
Es ist wahrscheinlich, dass ADHS von einer Vielzahl von Faktoren herrührt. Jemand, der beispielsweise eine genetische Veranlagung hat, kann mit Umweltfaktoren in Kontakt kommen, die ebenfalls zur Entwicklung von ADHS beitragen können (8).
Lesen Sie als Nächstes: Medikamente und Behandlungen von ADHS
Quellenverzeichnis
- Franke, B., Faraone, S. V., Asherson, P., Buitelaar, J., Bau, C. H. D., Ramos-Quiroga, J. A., … & Reif, A. (2012). The genetics of attention deficit/hyperactivity disorder in adults, a review. Molecular psychiatry, 17(10), 960-987.
- National Institutes of Health. (2012). The ADHD Genetic Research Study. NIH.
- Starck, M., Grünwald, J., & Schlarb, A. A. (2016). Occurrence of ADHD in parents of ADHD children in a clinical sample. Neuropsychiatric disease and treatment, 12, 581.
- Chou, I. C., Lin, C. C., & Kao, C. H. (2015). Enterovirus Encephalitis Increases the Risk of Attention Deficit Hyperactivity Disorder: A Taiwanese Population-based Case–control Study. Medicine, 94(16).
- Hadzic, E., Sinanovic, O., & Memisevic, H. (2017). Is Bacterial Meningitis a Risk Factor for Developing Attention Deficit Hyperactivity Disorder. The Israel journal of psychiatry and related sciences, 54(2), 54-57
- Adeyemo, B. O., Biederman, J., Zafonte, R., Kagan, E., Spencer, T. J., Uchida, M., … & Faraone, S. V. (2014). Mild traumatic brain injury and ADHD: a systematic review of the literature and meta-analysis. Journal of Attention Disorders, 18(7), 576-584.
- Donzelli, G., Carducci, A., Llopis-Gonzalez, A., Verani, M., Llopis-Morales, A., Cioni, L., & Morales-Suárez-Varela, M. (2019). The association between lead and attention-deficit/hyperactivity disorder: a systematic review. International journal of environmental research and public health, 16(3), 382.
- Dark, C., Homman-Ludiye, J., & Bryson-Richardson, R. J. (2018). The role of ADHD associated genes in neurodevelopment. Developmental biology, 438(2), 69-83.
Weitere Literaturempfehlung
- Hadzic, E., Sinanovic, O., & Memisevic, H. (2017). Is Bacterial Meningitis a Risk Factor for Developing Attention Deficit Hyperactivity Disorder. The Israel journal of psychiatry and related sciences, 54(2), 54-57.
- Huang, L., Wang, Y., Zhang, L., Zheng, Z., Zhu, T., Qu, Y., & Mu, D. (2018). Maternal smoking and attention-deficit/hyperactivity disorder in offspring: a meta-analysis. Pediatrics, 141(1)
- Pagnin, D., Grecco, M. L. Z., & Furtado, E. F. (2019). Prenatal alcohol use as a risk for attention-deficit/hyperactivity disorder. European archives of psychiatry and clinical neuroscience, 269(6), 681-687
- Dark, C., Homman-Ludiye, J., & Bryson-Richardson, R. J. (2018). The role of ADHD associated genes in neurodevelopment. Developmental biology, 438(2), 69-83.
- Eilertsen, E. M., Gjerde, L. C., Reichborn-Kjennerud, T., Ørstavik, R. E., Knudsen, G. P., Stoltenberg, C., … & Ystrom, E. (2017). Maternal alcohol use during pregnancy and offspring attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD): a prospective sibling control study. International journal of epidemiology, 46(5), 1633-1640.