Stell dir vor, du bist auf einer langen Reise, und der einzige Begleiter, den du hast, ist ein alter Freund. Dieser Freund kann entweder dein größter Unterstützer sein oder dein schlimmster Kritiker. In vielen Fällen ist dieser “Freund” deine innere Stimme. Selbstmitgefühl ist die Kunst, diese innere Stimme zu einem Verbündeten zu machen, der dich in guten wie in schlechten Zeiten unterstützt.
In einer Welt, die Selbstvertrauen und Selbstsicherheit hochhält, wird Selbstmitgefühl oft übersehen. Aber wusstest du, dass Selbstmitgefühl dir helfen kann, deine Schwächen zu akzeptieren und gleichzeitig deine Stärken zu fördern? In diesem Artikel erfährst du, wie du durch acht praktische Übungen deinem inneren Freund näherkommst und so ein erfüllteres Leben führen kannst.
Zusammenfassung:
- Selbstmitgefühl ist eine erlernbare Fähigkeit, die aus den drei Schlüsselkomponenten Selbstfreundlichkeit, Menschlichkeit und Achtsamkeit besteht.
- Durch praktische Übungen wie Selbstvergebung, Achtsamkeit und das Ausdrücken von Dankbarkeit kannst du dein Selbstmitgefühl stärken und dein psychisches Wohlbefinden verbessern.
- Selbstmitgefühl ist wie ein innerer Kompass, der dir hilft, die Höhen und Tiefen des Lebens besser zu navigieren und ein erfüllteres Leben zu führen.
Selbstmitgefühl: Übungen
Selbstmitgefühl ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit, die du entwickeln kannst. Und wie bei jeder Fähigkeit gibt es Übungen, die dir dabei helfen können. Hier sind drei lebensverändernde Übungen, die dir den Weg zu mehr Selbstmitgefühl ebnen:
1. Übung: Vergeben dir selbst
Wir alle machen Fehler, und das ist okay. Forschungen zeigen, dass Selbstvergebung nicht nur die Selbstverurteilung verringert, sondern auch den psychischen Stress lindert.
So wird’s gemacht:
- Übernimm die Verantwortung für das, was schiefgelaufen ist. Schieb die Schuld nicht auf andere.
- Fühl das Bedauern, aber lass dich nicht von Scham überwältigen.
- Versuche, den Schaden wiedergutzumachen und dich auf deine persönlichen Werte zu besinnen.
2. Übung: Überprüfe deine Selbstgespräche
Die Worte, die du im Kopf hast, formen deine Realität. Deshalb ist es wichtig, auf deine innere Stimme zu achten.
So wird’s gemacht:
- Wenn dir etwas Peinliches oder Schmerzhaftes passiert, halte inne.
- Stell dir die Frage: “Wie würde ich mit einem guten Freund sprechen, der das Gleiche erlebt hat?”
- Wende diese freundlichen und ermutigenden Worte auf dich selbst an.
3. Übung: Feiere deine kleinen Errungenschaften
Erfolg ist nicht immer ein großer Knall; oft sind es die kleinen Dinge, die zählen.
So wird’s gemacht:
- Setz dir realistische Ziele und arbeite kontinuierlich daran.
- Wenn du einen kleinen Schritt in die richtige Richtung gemacht hast, feiere das!
- Erkenne an, dass jeder kleine Erfolg ein Schritt auf dem Weg zu deinem großen Ziel ist.
4. Übung: Praktiziere die Meditation der liebenden Güte
Die Metta-Meditation, auch bekannt als Meditation der liebenden Güte, kann Wunder wirken. Sie lenkt deine Aufmerksamkeit weg von negativen Gedanken und hin zu positiven Gefühlen für dich und andere.
So wird’s gemacht:
- Setz dich bequem hin und schließe die Augen.
- Konzentriere dich während einer 15-minütigen Meditation zur Hälfte der Zeit auf andere Menschen und die Welt im Allgemeinen.
- Wünsche ihnen in Gedanken Gesundheit, Glück und Wohlbefinden.
5. Übung: Sei achtsam
Achtsamkeit ist mehr als nur ein Trendwort; es ist eine Lebensphilosophie. Sie hilft dir, den gegenwärtigen Moment voll und ganz zu erleben.
So wird’s gemacht:
- Atme tief ein und aus.
- Konzentriere dich auf deine fünf Sinne und nimm wahr, was du siehst, hörst, fühlst, riechst und schmeckst.
- Beobachte deine Gedanken und Gefühle, ohne sie zu bewerten.
6. Übung: Sei freundlich zu dir selbst
Freundlichkeit beginnt bei dir selbst. Wenn du lernst, freundlich zu dir zu sein, fällt es dir auch leichter, freundlich zu anderen zu sein.
So wird’s gemacht:
- Halte inne und frage dich: “Was brauche ich jetzt, in diesem Moment?”
- Höre auf deine innere Stimme und gib dir, was du brauchst, sei es eine Pause, ein Glas Wasser oder ein paar ermutigende Worte.
7. Übung: Drücke Dankbarkeit aus
Dankbarkeit ist mehr als nur ein nettes Wort; es ist eine Einstellung, die dein Leben verändern kann. Studien haben gezeigt, dass Dankbarkeit das psychische Wohlbefinden fördert.
So wird’s gemacht:
- Nimm dir ein Notizbuch und mache es zu deinem Dankbarkeitstagebuch.
- Schreibe jeden Tag mindestens drei Dinge auf, für die du dankbar bist.
- Lies deine Einträge regelmäßig durch, um dich an die positiven Aspekte deines Lebens zu erinnern.
8. Übung: Bitte um Hilfe, wenn du sie brauchst
Es ist keine Schwäche, um Hilfe zu bitten; es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstkenntnis.
So wird’s gemacht:
- Erkenne, wenn du Unterstützung brauchst, sei es emotional, physisch oder mental.
- Zögere nicht, Freunde, Familie oder Fachleute um Hilfe zu bitten.
- Verstehe, dass das Bitten um Hilfe deine Beziehungen vertiefen und dir neue Perspektiven eröffnen kann.
Was ist Selbstmitgefühl?
Selbstmitgefühl ist mehr als nur ein Schlagwort; es ist eine Lebensphilosophie, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Dr. Kristin Neff, eine führende Forscherin auf diesem Gebiet, definiert Selbstmitgefühl als eine Kombination aus drei Schlüsselkomponenten. Lass uns diese genauer betrachten:
1. Selbstfreundlichkeit
Stell dir vor, du bist dein eigener bester Freund. Würdest du dir selbst Vorwürfe machen oder dich unterstützen, wenn du durch eine schwierige Zeit gehst? Selbstfreundlichkeit bedeutet, dir selbst die gleiche Wärme und Akzeptanz zu schenken, die du einem guten Freund geben würdest. Wenn du dich selbst mit negativen Gedanken bombardierst, fühlst du dich nur noch isolierter und leidest mehr.
2. Menschlichkeit (Imperfektion)
Niemand ist perfekt, und das ist okay. Das Erkennen deiner eigenen Unvollkommenheiten und das Verstehen, dass alle Menschen Fehler machen und leiden, kann dir helfen, dich weniger allein zu fühlen. Es schafft eine Verbindung zu anderen und ermöglicht dir, Selbstmitgefühl für deine Erfahrungen zu entwickeln.
3. Achtsamkeit
Achtsamkeit ist der Schlüssel zur Selbstwahrnehmung. Es geht darum, deine Erfahrungen aus einer neutralen Perspektive zu betrachten, ohne sie zu bewerten. Wenn du durch eine schwierige Phase gehst, ist es leicht, in Selbstverurteilung und Scham abzurutschen. Achtsamkeit hilft dir, diese negativen Denkmuster zu durchbrechen und stattdessen eine konstruktive Perspektive einzunehmen.
Abschlusswort von Mentalwohl
Du bist der einzige Mensch, der dich dein ganzes Leben lang begleiten wird. Deshalb ist es so wichtig, dass du lernst, dir selbst ein guter Freund zu sein. Die Stimme in deinem Kopf, die dich oft kritisiert, ist nicht dein Feind, sondern ein Teil von dir, der auch Liebe und Verständnis braucht. Selbstmitgefühl ist nicht nur ein netter Gedanke, sondern ein Werkzeug, das dir hilft, die Herausforderungen des Lebens mit mehr Leichtigkeit und weniger Stress zu bewältigen. Du musst nicht perfekt sein, um ein erfülltes Leben zu führen. Du musst nur lernen, dir selbst mit der gleichen Freundlichkeit und dem gleichen Verständnis zu begegnen, wie du es bei einem geliebten Menschen tun würdest. Und wenn du das tust, wird dein Leben nicht nur leichter, sondern auch erfüllter sein.
Häufig gestellte Fragen
-
Ist Selbstmitgefühl das Gleiche wie Selbstliebe?
Nein, obwohl die beiden Begriffe oft synonym verwendet werden, gibt es einen wichtigen Unterschied. Selbstliebe kann manchmal egozentrisch sein und dazu führen, dass man sich selbst über andere stellt. Selbstmitgefühl hingegen beinhaltet eine universelle Verbundenheit und die Erkenntnis, dass jeder Mensch unvollkommen ist. Es geht darum, sich selbst in schwierigen Zeiten mit der gleichen Freundlichkeit und dem gleichen Verständnis zu behandeln, wie man es bei einem geliebten Menschen tun würde.
-
Kann zu viel Selbstmitgefühl dazu führen, dass ich faul werde?
Das ist ein häufiges Missverständnis. Selbstmitgefühl ist nicht dasselbe wie Selbstzufriedenheit oder Faulheit. Es geht nicht darum, sich selbst für Fehler oder Versäumnisse zu entschuldigen, sondern darum, sich selbst Raum für Wachstum und Verbesserung zu geben, ohne sich selbst zu verurteilen.
-
Wie kann ich Selbstmitgefühl in meinen Alltag integrieren?
Selbstmitgefühl ist wie jeder andere Muskel: Je mehr du es trainierst, desto stärker wird es. Du kannst mit kleinen Schritten beginnen, wie einem täglichen Dankbarkeitstagebuch oder einer kurzen Achtsamkeitsübung. Der Schlüssel ist die Konstanz. Je regelmäßiger du diese Übungen machst, desto natürlicher wird es für dich, selbstmitfühlend zu sein.
Quellen
- Coaston, S. C. (2017). Self-care through self-compassion: A balm for burnout. Professional Counselor, 7(3), 285-297.
- Ge, J., Wu, J., Li, K., & Zheng, Y. (2019). Self-compassion and subjective well-being mediate the impact of mindfulness on balanced time perspective in Chinese college students.Frontiers in psychology, 10, 367.
- Schmidt, S. (2013). Neff KD, Germer CK: A pilot study and randomized controlled trial of the mindful self-compassion program. J Clin Psychol 2013; 69: 28-44. FORSCHENDE KOMPLEMENTARMEDIZIN, 20(5), 389-391.
- Neff, K. D. (2022). The differential effects fallacy in the study of self-compassion: Misunderstanding the nature of bipolar continuums.Mindfulness, 13(3), 572-576.
- Neff, K. D., & Tóth-Király, I. (2022). Self-Compassion Scale (SCS). In Handbook of Assessment in Mindfulness Research (pp. 1-22). Cham: Springer International Publishing.