Stell dir vor, du bist auf einer Theaterbühne, und die Scheinwerfer sind nur auf dich gerichtet. Du fühlst dich lebendig, aber sobald die Lichter ausgehen, fühlst du dich leer und unsichtbar. So könnte man die histrionische Persönlichkeitsstörung als Analogie beschreiben. Es ist ein Zustand, bei dem die Betroffenen ständig im Mittelpunkt stehen wollen und sich oft verloren fühlen, wenn sie ihn nicht bekommen.
In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt der histrionischen Persönlichkeitsstörung ein. Wir werden uns mit den Symptomen, der Diagnose, den Ursachen und den Behandlungsmöglichkeiten beschäftigen. Unser Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis für diese komplexe Störung zu schaffen und aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren, damit du besser verstehst, was es bedeutet und wie man damit umgeht.
Zusammenfassung:
- Die histrionische Persönlichkeitsstörung ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, oberflächliche Emotionen und manipulatives Verhalten gekennzeichnet ist.
- Obwohl sie Ähnlichkeiten mit anderen Persönlichkeitsstörungen wie der Borderline-Störung aufweist, hat die histrionische Persönlichkeitsstörung ihre eigenen spezifischen Symptome und Diagnosekriterien.
- Es gibt keine Heilung, aber eine Kombination aus Psychotherapie, Medikation und Lebensstiländerungen kann dazu beitragen, die Symptome zu managen und die Lebensqualität zu verbessern.
Histrionische Persönlichkeitsstörung – Was ist das?
Die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) ist eine psychische Störung, die durch ein Muster von extremer Emotionalität und Aufmerksamkeitsbedürfnis gekennzeichnet ist. Der Begriff “histrionisch” leitet sich vom lateinischen Wort für “schauspielerisch” ab und gibt einen Hinweis darauf, wie intensiv die Emotionen und das Verhalten der Betroffenen sein können.
Statistiken und Fakten
In Deutschland sind liegt die Prävalenz bei etwa 1-3% der Bevölkerung. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Störung oft mit anderen Persönlichkeitsstörungen aus dem Cluster B überlappt, zu denen auch die Borderline-, antisoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung gehören.
Mythen und Missverständnisse
Es gibt viele Mythen rund um die histrionische Persönlichkeitsstörung, die es schwierig machen, sie richtig zu verstehen. Ein häufiger Irrglaube ist, dass Menschen mit HPS einfach nur “dramatisch” oder “theatralisch” sind und keine echte psychische Störung haben. Das ist weit gefehlt. Die Emotionalität und das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit sind oft so intensiv, dass sie das tägliche Leben und die Beziehungen der Betroffenen stark beeinträchtigen können.
Histrionische Persönlichkeitsstörung: Symptome
Hier sind einige der häufigsten Symptome:
Ein Kaleidoskop der Emotionen
Menschen mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung erleben oft ein Wechselbad der Gefühle. Ihre Emotionen können so flüchtig sein wie Wolken am Himmel, die sich ständig verändern. Dabei sind diese Emotionen meist oberflächlich und können sich schnell von einem Extrem zum anderen bewegen.
Im Rampenlicht
Ein weiteres auffälliges Merkmal ist das ständige Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Es ist, als ob sie ständig auf einer Bühne stehen und “performen” würden. Sie suchen die Bestätigung und das Rampenlicht, oft auf Kosten der Qualität ihrer Beziehungen zu anderen Menschen.
Manipulative Taktiken
Einige Menschen mit HPS greifen zu manipulativen Verhaltensweisen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Das kann von sexuell provokativem Verhalten bis hin zu Drohungen mit Selbstverletzung oder Suizid reichen. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Taktiken oft aus einem tiefen Bedürfnis nach emotionaler Bestätigung resultieren.
Wenn du Suizidgedanken hast, wende dich bitte an die Telefonseelsorge unter 0800.1110111, um Unterstützung und Hilfe von einem ausgebildeten Berater zu erhalten. Wenn du oder ein Angehöriger in unmittelbarer Gefahr bist, rufe die 112 an.
Schnelllebig und Trendbewusst
Sie sind oft sehr beeinflussbar und schnell dabei, wenn es um neue Trends oder Moden geht. Ihre Meinungen und Überzeugungen können sich rasch ändern, je nachdem, was gerade “in” ist oder welche Gruppe sie beeinflussen möchte.
Körperliche Symptome
Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Menschen mit HPS körperliche Symptome wie Schwäche oder Krankheit übertreiben, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese “Symptome” sind meistens übertrieben und dienen dem Zweck, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
Die Suche nach dem Zeugen
Ein weiteres interessantes Merkmal ist das Bedürfnis, dass andere ihre emotionalen Ausbrüche “bezeugen”. Es ist, als bräuchten sie ein Publikum für ihre emotionale “Performance”, um sich validiert zu fühlen.
Histrionische Persönlichkeitsstörung: Diagnose nach ICD-11
Die Diagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung ist ein komplexer Prozess, der eine gründliche Untersuchung durch Fachleute erfordert. In Deutschland und vielen anderen Ländern wird dafür oft das Internationale Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD) herangezogen.
ICD-Kriterien
Die Diagnosekriterien beinhalten eine Reihe von Verhaltensweisen und emotionalen Mustern, die über einen längeren Zeitraum stabil sein müssen. Dazu gehören:
- Übermäßiges Bedürfnis nach Aufmerksamkeit
- Oberflächliche und labile Emotionen
- Theatralisches Verhalten und Ausdruck
- Manipulative Taktiken, um Aufmerksamkeit zu erlangen
Dauer und Stabilität
Ein wichtiger Aspekt bei der Diagnose ist die Dauer der Symptome. Sie müssen über einen längeren Zeitraum, in der Regel mindestens mehrere Monate, stabil sein. Außerdem sollten sie in verschiedenen Lebensbereichen und Kontexten auftreten, um als chronisch betrachtet zu werden.
Der Diagnoseprozess
Der Diagnoseprozess selbst kann eine Reihe von Schritten umfassen, darunter klinische Interviews, Fragebögen und manchmal auch psychologische Tests. Es ist wichtig, dass die Diagnose von einem qualifizierten Fachmann gestellt wird, da die Symptome oft mit anderen psychischen Störungen überlappen können.
Histrionische Persönlichkeitsstörung vs. Borderline-Störung
Auf den ersten Blick scheinen die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) und die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) viele Gemeinsamkeiten zu haben. Beide sind durch schnell wechselnde Emotionen, impulsives Verhalten und eine starke Ausdruckskraft der Emotionen gekennzeichnet. Aber Vorsicht: Ähnlich bedeutet nicht gleich.
Was sagt das DSM-5?
Laut dem DSM-5 gibt es trotz der Ähnlichkeiten klare Unterschiede. Während beide Störungen durch Aufmerksamkeitsbedürfnis und manipulatives Verhalten gekennzeichnet sein können, unterscheidet sich die Borderline-Störung durch selbstzerstörerisches Verhalten, Wutausbrüche in engen Beziehungen und chronische Gefühle von Leere und Identitätsstörungen.
Tiefe der Emotionen
Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt in der Intensität und Tiefe der Emotionen. Bei der Borderline-Störung sind die Emotionen oft viel intensiver und können zu extremen Reaktionen wie Selbstverletzung führen. Bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung sind die Emotionen zwar auch intensiv, aber oft oberflächlicher und weniger stabil.
Klinische Perspektive
Einige Fachleute argumentieren, dass die Qualität der Symptome in beiden Störungen unterschiedlich ist. Während die schnell wechselnden Emotionen bei HPS oft als “theatralisch” beschrieben werden, sind sie bei BPD oft “explosiv” und können zu ernsthaften Beziehungsproblemen führen.
Histrionische Persönlichkeitsstörung: Ursachen
Es gibt keine einzelne, klare Ursache für die histrionische Persönlichkeitsstörung. Vielmehr ist sie das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von genetischen und umweltbedingten Faktoren. Es ist, als würde man ein Puzzle zusammensetzen, bei dem jedes Teilchen einen kleinen Beitrag zur Gesamtsituation leistet.
Genetische Faktoren
Einige Persönlichkeitsmerkmale können genetisch vererbt werden. Diese Merkmale, auch als Temperament bekannt, können eine Person anfälliger für die Entwicklung einer histrionischen Persönlichkeitsstörung machen. Es ist, als hätte man eine genetische “Grundausstattung”, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, diese Störung zu entwickeln.
Umwelt und Erziehung
Die Umgebung, in der du aufgewachsen bist, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Ereignisse in der Kindheit, die Qualität der Beziehungen zu Familienmitgliedern und anderen wichtigen Personen können als Auslöser für die Entwicklung der Störung dienen. Manchmal sind es traumatische Erlebnisse, manchmal aber auch “nur” eine unausgewogene Erziehung, die das Risiko erhöht.
Risikofaktoren
Es gibt auch bestimmte Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung erhöhen können. Dazu gehören:
- Verbaler Missbrauch in der Kindheit
- Traumatische Erlebnisse
- Hohe Sensibilität gegenüber Umweltreizen wie Licht, Lärm usw.
Histrionische Persönlichkeitsstörung: Behandlung
Zwar gibt es derzeit keine Heilung für die histrionische Persönlichkeitsstörung, aber die Aussichten sind dennoch gut, insbesondere wenn Betroffene sich einer Psychotherapie unterziehen. Behandlungen können auch Medikamente und Lebensstiländerungen umfassen.
Psychotherapie
Die Psychotherapie hat sich als wirksam bei der Behandlung der histrionischen Persönlichkeitsstörung erwiesen. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Therapieformen, wie die klärungsorientierte Psychotherapie, die Symptome reduzieren und die Beziehungsprozesse verbessern können.
Gruppen- und Familientherapie
Während Gruppen- und Familientherapie für viele psychische Störungen hilfreich sein können, sind sie für Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung in der Regel nicht empfehlenswert. Das liegt daran, dass die Symptome – wie das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und das Übertreiben von Symptomen – in einer Gruppenatmosphäre oft verstärkt werden.
Medikation
Es gibt keine speziellen Medikamente für die Behandlung der histrionischen Persönlichkeitsstörung. Allerdings können Medikamente zur Behandlung von begleitenden Symptomen wie Stimmungsschwankungen, Wut, Angst und Depression eingesetzt werden.
Alternative Therapieansätze
Techniken der Achtsamkeit wie Yoga, Tai Chi und Biofeedback können ebenfalls hilfreich sein. Sie erleichtern die Kontrolle der inneren Gefühle und können positive Effekte auf Impulsivität und emotionale Reaktivität haben.
Komplikationen und Bewältigungsstrategien
Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung können Schwierigkeiten haben, enge Beziehungen zu anderen aufrechtzuerhalten. Es gibt jedoch auch positive Aspekte, wie zum Beispiel eine geringere soziale Angst. Um die Symptome zu bewältigen, können folgende Strategien hilfreich sein:
- Einen regelmäßigen Ess- und Schlafplan einhalten
- Regelmäßige Bewegung
- Vermeidung von Drogen und Alkohol
- Unterstützung durch vertrauenswürdige Freunde und Familie suchen
Abschlusswort von Mentalwohl
Das Leben mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung kann eine echte Herausforderung sein, sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen. Aber es ist wichtig zu wissen: Du bist nicht allein, und es gibt Hilfe. Die moderne Psychotherapie bietet viele Ansätze, die dir helfen können, ein erfüllteres Leben zu führen. Es mag vielleicht keinen schnellen Fix geben, aber mit der richtigen Unterstützung und den passenden Strategien kannst du lernen, besser mit deinen Emotionen und Beziehungen umzugehen. Also, gib nicht auf. Der erste Schritt zur Besserung ist oft der schwerste, aber auch der wertvollste. Du hast die Kraft, dein Leben zu verändern. Nutze sie!
Häufig gestellte Fragen
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Ist die histrionische Persönlichkeitsstörung heilbar?
Während es derzeit keine Heilung für die histrionische Persönlichkeitsstörung gibt, sind die Behandlungsaussichten dennoch gut. Mit einer Kombination aus Psychotherapie, Medikation und Lebensstiländerungen können viele Betroffene ein erfülltes Leben führen.
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Wie unterscheidet sich die histrionische Persönlichkeitsstörung von der Borderline-Persönlichkeitsstörung?
Obwohl beide Störungen Ähnlichkeiten wie schnell wechselnde Emotionen und impulsives Verhalten aufweisen, gibt es klare Unterschiede. Die histrionische Persönlichkeitsstörung ist oft durch oberflächlichere Emotionen und ein stärkeres Bedürfnis nach Aufmerksamkeit gekennzeichnet, während die Borderline-Störung tiefere emotionale Schwankungen und Selbstzerstörungstendenzen aufweist.
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Welche Risikofaktoren gibt es für die Entwicklung einer histrionischen Persönlichkeitsstörung?
Es gibt keine einzelne Ursache, aber eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren kann das Risiko erhöhen. Dazu gehören verbaler Missbrauch in der Kindheit, traumatische Erlebnisse und eine hohe Sensibilität gegenüber Umweltreizen.
Quellen
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