ASMR: Internetphänomen oder Entspannungsmethode? (2024)

Stell dir vor, du sitzt an einem ruhigen Abend am Lagerfeuer, und das Knistern der Flammen löst ein wohliges Gefühl in dir aus. Dieses Gefühl, das dich von Kopf bis Fuß durchströmt, ist vergleichbar mit dem, was viele Menschen als ASMR bezeichnen. Es ist wie eine sanfte Berührung für die Seele, die durch ganz alltägliche Geräusche oder Bewegungen ausgelöst werden kann.

In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt des ASMR ein. Du wirst erfahren, was ASMR genau ist, wer es erlebt und wie es sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Wir werden die verschiedenen Typen von ASMR erkunden und dir sogar Tipps geben, wie du es selbst ausüben kannst. Wenn du schon immer wissen wolltest, warum das Geräusch von raschelndem Papier oder das Ansehen einer langsamen, methodischen Handbewegung solch ein Gefühl der Entspannung hervorrufen kann, dann bist du hier genau richtig.

ASMR: Bedeutung

Du kennst sicherlich das Gefühl, wenn dir jemand sanft durch die Haare streicht oder dir eine liebevolle Nachricht schreibt, und plötzlich spürst du ein angenehmes Kribbeln auf der Kopfhaut. Dieses Kribbeln breitet sich vielleicht sogar entlang deiner Wirbelsäule aus und lässt deine Muskeln entspannen. Wenn dir das bekannt vorkommt, dann hast du bereits einen kleinen Einblick in die Welt des ASMR, der autonomen sensorischen Meridianreaktion, erhalten.

Der Name klingt vielleicht wie eine wissenschaftliche Abhandlung, aber er beschreibt sehr treffend, was bei ASMR passiert. “Autonom” weist darauf hin, dass dieses Gefühl spontan in deinem Körper entsteht, ohne dass du es bewusst steuern kannst. “Sensorisch” bedeutet, dass deine Sinne – vor allem das Hören und Sehen – maßgeblich an der Entstehung dieses Gefühls beteiligt sind. “Meridian” ist ein Begriff, der oft in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet wird und sich auf Energiebahnen im Körper bezieht. In diesem Kontext steht es für die angenehme Energie, die du während einer ASMR-Erfahrung spürst. Und schließlich ist “Reaktion” einfach das, was dein Körper tut: Er reagiert auf bestimmte Reize, die dieses wunderbare Gefühl auslösen.

Aber nicht jeder ist für diese Erfahrung empfänglich. Während die einen von einem Gefühl der tiefen Entspannung und sogar Schläfrigkeit berichten, spüren andere gar nichts. Das ist völlig okay und macht die Erforschung dieses Phänomens nur noch spannender.

ASMR – Wer erlebt es?

ASMR ist wie die geheime Zutat in einem Rezept: Nicht jeder schmeckt sie heraus, aber diejenigen, die es tun, sind begeistert. Ähnlich wie nicht jeder bei einer emotionalen Ballade Gänsehaut bekommt, erlebt auch nicht jeder ASMR. Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, aber es ist klar, dass dieses Phänomen nicht universell ist.

Viele Menschen, die ASMR erleben, können sich an den ersten Moment erinnern, in dem sie dieses Gefühl gespürt haben. Oft war es in der Kindheit oder Jugend, vielleicht als jemand ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat oder sie jemandem beim sorgfältigen Ausführen einer Aufgabe zugesehen haben. Manchmal ist es so einfach wie das Zuhören eines Flüsterns oder das Ansehen einer langsamen, präzisen Bewegung.

Wenn du dich fragst, ob du ASMR erlebst, denke an die Momente, in denen du ein angenehmes Kribbeln oder Frösteln gespürt hast. Vielleicht war es beim Hören einer bestimmten Melodie, beim Riechen eines vertrauten Duftes oder sogar beim Berühren einer bestimmten Textur. Wenn du solche Momente kennst, dann bist du wahrscheinlich ein Kandidat für ASMR.

Interessanterweise gibt es Hinweise darauf, dass Menschen, die ASMR erleben, auch häufiger an Synästhesie leiden könnten. Das ist ein faszinierendes Phänomen, bei dem die Sinne auf ungewöhnliche Weise miteinander verknüpft sind, wie zum Beispiel das “Sehen” von Tönen oder das “Schmecken” von Farben. Obwohl die Forschung noch nicht abschließend ist, öffnet diese Verbindung eine Tür zu weiteren spannenden Fragen und Untersuchungen.

ASMR: Geschichte

Bevor ASMR seinen heutigen Namen erhielt, war es für viele Menschen ein namenloses, aber dennoch intensives Erlebnis. Sie wussten, dass sie auf bestimmte Reize mit einem angenehmen Kribbeln reagierten, aber viele dachten, sie seien die Einzigen, die das erlebten. Das änderte sich, als die Online-Community begann, ihre Erfahrungen zu teilen. Unter Begriffen wie “Gehirnkribbeln” oder “Gehirnorgasmus” fanden sich Gleichgesinnte in Foren und Diskussionsgruppen.

Dann kam Jennifer Allen ins Spiel. Im Jahr 2010 entschied sie, dass dieses Phänomen einen ernsthaften Namen verdient, um es für Wissenschaftler und Skeptiker greifbarer zu machen. So wurde der Begriff “Autonome Sensorische Meridianreaktion” oder ASMR geboren. Trotz des neuen Namens dauerte es jedoch bis 2015, bis die erste wissenschaftliche Studie zu diesem Thema veröffentlicht wurde.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Geschichte von ASMR war die Zusammenarbeit zwischen Jennifer Allen und Craig Richard, einem Professor für Physiologie. Sie erstellten 2013 eine Online-Umfrage, die mehr als 30.000 Antworten erhielt und wichtige Daten für zukünftige Forschungen lieferte. Richard gründete später die ASMR University, eine Plattform, die sich der Aufklärung und Sammlung von Informationen über ASMR widmet.

In den letzten Jahren hat ASMR auch in der Popkultur Fuß gefasst. ASMR-Videomacher, auch “ASMRtists” genannt, haben auf Plattformen wie YouTube Millionen von Followern gewonnen. Mit hochauflösenden Mikrofonen und kreativen Ideen schaffen sie Erlebnisse, die das berühmte Kribbeln auslösen. Namen wie GibiASMR, GentleWhispering ASMR und ASMR Darling sind in der Community zu Stars geworden.

Die Reise von ASMR ist also eine von der Anonymität zur Anerkennung, von Forenposts zu wissenschaftlichen Studien und von Einzelerfahrungen zu einer globalen Bewegung. Und wer weiß, was die Zukunft noch bringt?

ASMR: Anzeichen

ASMR ist ein Phänomen, das sich in vielerlei Hinsicht von anderen sensorischen Erfahrungen unterscheidet. Während manche Menschen beim Anblick eines beeindruckenden Gemäldes oder beim Hören einer ergreifenden Melodie Gänsehaut bekommen, ist ASMR eine ganz andere Art von Erlebnis. Es ist beruhigend, fast sedierend, im Gegensatz zum erregenden Gefühl, das man bei anderen emotionalen Reaktionen spüren kann.

Das Kribbeln, das so charakteristisch für ASMR ist, beginnt oft am Kopf und kann sich dann entlang der Wirbelsäule ausbreiten. Es ist ein Gefühl, das manche mit einer Kopfmassage oder dem Kitzeln des Arms vergleichen. Aber das Besondere an ASMR ist, dass es auch ohne physische Berührung ausgelöst werden kann. Dr. Giulia Poerio, eine Psychologieprofessorin, die sich intensiv mit ASMR beschäftigt hat, beschreibt es als eine Art “Sinnesüberquerung”. Du siehst oder hörst etwas, und dein Körper reagiert so, als ob du tatsächlich berührt würdest.

Menschen, die ASMR erleben, berichten von einer Reihe positiver Effekte. Sie fühlen sich ruhiger, können besser mit Schlaflosigkeit, Angstzuständen und sogar Depressionen umgehen. Einige Studien, darunter auch die von Dr. Poerio, haben sogar festgestellt, dass die Herzfrequenz bei Menschen, die ASMR erleben, deutlich sinkt, wenn sie ASMR-auslösende Videos ansehen. Dieser Rückgang ist vergleichbar mit dem, was in klinischen Studien für andere Entspannungsmethoden wie Musiktherapie und Achtsamkeitsübungen beobachtet wurde.

In einer Welt, die oft hektisch und stressig ist, bietet ASMR eine willkommene Oase der Ruhe und Entspannung. Es ist, als hätte dein Körper einen “Entspannungs-Schalter”, und ASMR ist der Schlüssel, um ihn zu aktivieren.

ASMR: Arten

ASMR ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Was bei einer Person ein wohliges Kribbeln auslöst, kann bei einer anderen Person völlig wirkungslos sein. Die Bandbreite der Situationen und Reize, die ASMR auslösen können, ist beeindruckend vielfältig. Vielleicht erinnert dich das an den Moment, als dir jemand in einem Schuhgeschäft die Füße gemessen hat, oder an das sanfte Auftragen von Make-up. Vielleicht ist es aber auch das Geräusch von umgeblätterten Seiten oder das Beobachten, wie jemand konzentriert eine Aufgabe erledigt.

Es gibt eine ganze Palette von ASMR-Auslösern, die in verschiedene Kategorien fallen:

• Akustische Reize: Hierzu gehören Geräusche wie Kauen, Summen oder Flüstern.
• Visuelle Reize: Lichtmuster oder das Beobachten, wie Farben gemischt werden, können ebenfalls ASMR auslösen.
• Taktile Reize: Das kann von einer Massage bis zum Spielen mit den Haaren reichen.
• Interaktive Reize: Persönliche Aufmerksamkeit, wie sie beim Einchecken in ein Hotel oder bei einer sorgfältigen Erklärung durch einen Lehrer gegeben wird, kann auch ein starker Auslöser sein.
• Alltägliche Handlungen: Selbst das Umblättern eines Buches oder das Tippen auf einer Tastatur kann bei manchen Menschen ASMR auslösen.

Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Mensch seine eigenen, einzigartigen ASMR-Auslöser hat. Während für den einen das Geräusch von Klopfen entspannend ist, könnte es für den anderen das Geräusch von fallendem Regen sein. Die Intensität, mit der die verschiedenen Auslöser wirken, kann ebenfalls variieren. Manche Menschen erleben ein leichtes Kribbeln, während andere von einer Welle der Entspannung überrollt werden.

Die Vielfalt der ASMR-Arten zeigt, wie komplex und individuell dieses Phänomen ist. Es ist wie ein persönliches Entspannungs-Toolkit, das jeder für sich selbst entdecken kann.

ASMR: Tipps beim Ausüben

Du bist also neugierig auf ASMR und möchtest wissen, wie du dieses wunderbare Gefühl der Entspannung selbst erleben kannst? Keine Sorge, es ist einfacher, als du denkst! Hier sind einige Tipps, die dir den Einstieg erleichtern:

• Finde deine Auslöser: Das A und O bei ASMR ist, deine persönlichen Auslöser zu finden. Vielleicht hast du schon bemerkt, dass du bei bestimmten Geräuschen oder Bewegungen ein angenehmes Kribbeln verspürst. Das ist ein guter Anfang! Achte bewusst darauf, wie dein Körper auf verschiedene Reize reagiert.
• Übe alleine: Manchmal ist es am besten, in einer ruhigen Umgebung zu starten, wo du dich voll und ganz auf deine Empfindungen konzentrieren kannst. Setz dich bequem hin und probiere verschiedene Berührungen oder Bewegungen an dir selbst aus. Vielleicht entdeckst du so neue Auslöser, die du vorher noch nicht kanntest.
• ASMR-Videos: Das Internet ist eine wahre Goldgrube für ASMR-Enthusiasten. Es gibt unzählige Videos, die eine breite Palette an Auslösern abdecken. Von Flüstern und Klopfen bis hin zu komplexen Rollenspielen – die Auswahl ist riesig.
• Kopfhörer sind ein Muss: Wenn du ASMR-Videos schaust, solltest du unbedingt Kopfhörer verwenden. Sie intensivieren die Erfahrung, indem sie die Geräusche direkt in deine Ohren leiten und so ein immersiveres Erlebnis ermöglichen.
• Sei geduldig und offen: ASMR ist eine sehr persönliche Erfahrung und es kann eine Weile dauern, bis du deine idealen Auslöser gefunden hast. Sei offen für Neues und gib nicht gleich auf, wenn es beim ersten Mal nicht klappt.

ASMR ist wie eine Entdeckungsreise zu dir selbst. Es bietet dir die Möglichkeit, deinen Körper und deine Sinne auf eine ganz neue Weise zu erleben. Und wer weiß, vielleicht entdeckst du dabei sogar eine völlig neue Art der Entspannung, die du vorher noch nicht kanntest.

Abschlusswort von Mentalwohl

ASMR ist mehr als nur ein Internet-Phänomen oder eine Modeerscheinung. Es ist eine faszinierende Reise in die Welt der Sinne, die uns zeigt, wie vielfältig und individuell unsere Wahrnehmung sein kann. Von den ersten zaghaften Schritten in Online-Foren bis hin zu wissenschaftlichen Studien hat ASMR einen langen Weg zurückgelegt. Und während wir immer mehr darüber lernen, öffnet sich ein Universum voller Möglichkeiten für Entspannung, Selbstfürsorge und sogar therapeutische Anwendungen. Wenn du also neugierig geworden bist, zögere nicht, dich auf deine eigene ASMR-Reise zu begeben. Wer weiß, welche wunderbaren Entdeckungen auf dich warten?

Häufig gestellte Fragen

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Quellen

1. Barratt EL, Davis NJ. Autonomous sensory meridian response (ASMR): A flow-like mental state. PeerJ. 2015;3:e851. doi:10.7717/peerj.851
2. ASMR University. ASMR research project.
3. ASMR University. About the founder — Dr. Richard.
4. Poerio GL, Blakey E, Hostler TJ, Veltri T. More than a feeling: Autonomous sensory meridian response (ASMR) is characterized by reliable changes in affect and physiology. PLoS ONE. 2018;13(6):e0196645. doi:10.1371/journal.pone.0196645
5. Lochte BC, Guillory SA, Richard CAH, Kelley WM. An fMRI investigation of the neural correlates underlying the autonomous sensory meridian response (ASMR). Bioimpacts. 2018;8(4):295-304. doi:10.15171/bi.2018.32