Wut, Frustration, Angst und andere „negative Gefühle“ sind alle Teil der echten menschlichen Erfahrung. Sie alle können zu Anzeichen von Stress führen und werden oft als Gefühle angesehen, die vermieden, ignoriert oder auf andere Weise verleugnet werden. Tatsächlich können sie aber auch gesund und hilfreich sein. Ein besserer Ansatz besteht darin, bewusster mit ihnen umzugehen, ohne sie gleich zu leugnen. Hierfür gibt es nämlich mehrere Gründe.
Negative Gefühle vs. positive Gefühle
Wenn wir über sogenannte negative Gefühle sprechen, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass diese Gefühle an und für sich nicht negativ sind, wie in „schlecht“. So sind sie nicht einfach nur eine Ausprägung im Bereich der Negativität und stehen nicht im Gegensatz zur Positivität (1).
Gefühle sind nicht unbedingt gut oder schlecht, sie sind nur Zustände und Signale, die es uns ermöglichen, den Ereignissen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dies kann uns zum Beispiel motivieren, eine bestimmte Aktivität fortzuführen/erhöhen oder aufzuhören/reduzieren.
Im Gegensatz zu einigen Gefühle sind negative Gefühle nicht immer angenehm zu erleben. Aber wie die meisten Gefühle existieren sie aus einem bestimmten Grund und können tatsächlich sehr nützlich sein.
Negative Gefühle – Welchen Einfluss haben sie auf uns?
Wut, Sorgen, Aggression, Frustration, Trauer und Angst – das alles verstehen wir unter negativen Emotionen, welche viele Menschen regelmäßig erleben, aber zu vermeiden versuchen. Und das ist verständlich, denn sie bereiten uns nämlich Unbehagen und schlechte Laune.
Wieso Sie nicht Ihre negativen Gefühle unterdrücken sollten, lernen Sie im Folgendem:
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Häufiger sind diese negativen Emotionen von Vorteil, weil sie uns auch Botschaften bzw. Signale senden können. Zum Beispiel:
- Wut und Angst zeigen, dass sich etwas ändern muss und vielleicht unser Wohlbefinden bedroht ist.
- Angst ist ein Appell, Ihren persönlichen Schutz und Ihre Sicherheit zu erhöhen.
- Frustration oder Aversionen motivieren uns, etwas in einer Beziehung zu ändern.
Grundsätzlich sind negative Gefühle dazu da, uns zu warnen, dass sich etwas ändern muss und um uns zu motivieren, diese Änderung vorzunehmen.
Negative Emotionen können Stress im Körper & Kopf verursachen
Diese negativen emotionalen Zustände können zusätzlichen Symptome von Stress in Ihrem Körper und Ihrem Geist erzeugen. Dies ist unangenehm und kann auch schlimmstenfalls zu gesundheitlichen Problemen führen, wenn der Stress chronisch oder überwältigend wird (2).
Niemand mag es, sich unwohl zu fühlen. Daher ist es natürlich, diesen Gefühlen entfliehen zu wollen. Zugleich fühlen sich die Gefahren von unkontrolliertem Stress sehr real an. Man neigt dazu zu denken, dass jene Gefühle für immer anhalten oder dass sie selbst das Problem sind.
Auch positive Gefühle haben Nachteile
Vertreter der positiven Psychologie argumentieren auch, dass positive Emotionen wie Hoffnung, Freude und Dankbarkeit zwar viele Vorteile haben, aber auch negative Auswirkungen haben können.
Einerseits wurde z.B. Optimismus mit vielen positiven Ergebnissen für Gesundheit und Glück sowie persönlichen Erfolg in Verbindung gebracht (3). Andererseits kann übertriebener Optimismus zu unrealistischen Erwartungen und sogar zu einer höheren Risikobereitschaft führen, die zu Verlusten und all den damit verbundenen negativen Gefühlen führen können. Unbequeme emotionale Zustände wie Angst können jedoch zu einer Motivation führen, Veränderungen vorzunehmen, die mehr Erfolg bringen und Gefahren vermeiden können.
Negative Gefühle sollen uns schützen und uns motivieren, unser Leben zu verbessern, genauso wie positive Gefühle.
Gefühle zeigen? – Umgang mit negativen Gefühlen
Die Idee des „Managens“ negativer Gefühle ist komplex. Es bedeutet nicht, sie zu vermeiden – denn obwohl das Vermeidungsverhalten eigentlich eine Form der Bewältigung ist und genau jenes versucht, kann diese Strategie oft nach hinten losgehen (4). Das bedeutet allerdings auch nicht, dass man seine negativen Gefühle erlauben sollte, sein eigenes Leben, Beziehungen und Stresspegel durcheinanderzubringen. Unkontrollierte Wut kann uns zum Beispiel dazu zwingen, Beziehungen zu zerstören, wenn wir es zulassen.
Beim Umgang mit negativen Gefühle geht es vielmehr darum, offen seinen eigenen Gefühlen gegenüber zu sein, sie zu fühlen, den Grund ihrer Anwesenheit zu bestimmen und ihre wertvolle Botschaft zu akzeptieren, bevor wir sie loslassen und weitermachen. Hierdurch entziehen wir ihnen auch die Macht, die sie auf uns auzüben.
Ja, diese Aussage mag ein wenig seltsam klingen, aber unsere Gefühle sind definitiv als Boten gedacht, die uns etwas mitteilen wollen. Diese Botschaften können sehr wertvoll sein, wenn wir nur anfangen zuzuhören.
Negative Gefühle zu managen bedeutet auch, uns nicht von ihnen überrennen zu lassen. Wir können sie unter Kontrolle halten, ohne zu leugnen, dass wir sie fühlen.
Negative Gefühle: Strategien und Techniken
Die positive Psychologie erlebt eine „zweite Welle“ der Forschung, die sich nicht nur auf das konzentriert, was uns glücklich, resilient und gedeihen lässt, sondern auch auf die dunkle Seite des Glücks (5). Experten haben mehr darüber erfahren, wie sich unsere negativen Gefühle auf uns auswirken und wie man mit ihnen umgehen sollte, sodass man während des gesamten Prozesses emotional gesund bleiben kann.
Genauso wie negative Gefühle Vorteile haben, gibt es Nachteile für falsche bzw. „toxische Positivität“, bei der wir uns dafür schämen, diese natürlichen emotionalen Zustände zu erfahren und versuchen, sie zu leugnen oder uns „positiver“ zu fühlen, als wir sind.
Eine bessere Strategie besteht darin, unsere negativen Zustände zu akzeptieren und gleichzeitig Aktivitäten zu unternehmen, die diese unangenehmen Gefühle auf authentische Weise ausgleichen können.
Es gibt verschiedene Strategien, die untersucht und empfohlen wurden, um negative Gefühle zu akzeptieren und zu verarbeiten, sowie neue Techniken, die im Hinblick auf diese Forschung entwickelt wurden. Auch als Therapeut oder Coach gibt es eine Vielzahl an beliebten Ansaetzen.
Diese Techniken, wie in der Forschung von Ceri Sims beschrieben, sind unter dem Akronym HOPE und TEARS zu finden. Diese umfassen Folgendes:
1. Strategie: HOPE
- H – Hedonisches Wohlbefinden und Glück: Die Forschung zeigt, dass es sehr vorteilhaft sein kann, ein 3:1-Verhältnis positiver vs. negativer Gefühle zu haben. Fügen Sie Ihrem Leben positive Erfahrungen hinzu, konzentrieren Sie sich auf glückliche Erinnerungen und genießen Sie Ihre Erfolge. Versuchen Sie sich aber auf einer authentischen Art und Weise positiv und wohlzufühlen.
- O – Observieren Sie Dinge und Themen neutral: Versuchen Sie Achtsamkeit zu üben und nehmen Sie die Dinge im Leben unvoreingenommen wahr.
- P – Physiologie und Verhaltensänderungen: Konzentrieren Sie sich auf Entspannung, Atemübungen und Selbstfürsorge.
- E – Eudaimonia: Streben nach Lebenszielen und einem Gefühl von Authentizität.
2. Strategie: TEARS
- T – Tägliches Lehren und Lernen: Dies bedeutet, sich selbst bewusst zu werden und das persönliche Wissen über Ihren Körper und Geist fortwährend zu erweitern und wie sie auf Stress und andere emotionale Zustände reagieren. Auf diese Weise können Sie verstehen, wann und warum Sie verärgert sind und die Signale Ihres Körpers besser interpretieren.
- E – Eigene Sinnes- und Körpererfahrungen ausdrücken und ermöglichen: Das hört sich etwas komplizierter an, aber es geht einfach darum, Offenheit und Neugierde in sich selbst zu fördern, um Ihre Akzeptanz für das, was kommt, zu erhöhen.
- A – Akzeptieren und Anerkennen: Es kann sehr nützlich sein, sich aktiv darauf zu konzentrieren, Ihr eigenes Selbstmitgefühl und Ihre Frustrationstoleranz zu steigern.
- R – Reframing und Neubewertung: Sie können kognitive Verhaltensansätze verwenden, um die Dinge anders zu sehen.
- S – Soziale Unterstützung: Dies kann die Praxis der Liebenden-Güte-Meditation (Metta-Meditation) beinhalten, die Ihr Gefühl der Verbundenheit mit anderen und Ihr Selbstmitgefühl erweitern kann, während Sie sich um Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen kümmern.
Negative Gefühle: Weitere Gewohnheiten
Es gibt noch weitere empfohlene Strategien, um positive emotionale Zustände und die persönliche Resilienz gegenüber Stress und negativen Gefühlen zu erhöhen, damit sich negative emotionale Zustände nicht so überwältigend anfühlen. Hier sind einige zusätzliche Strategien, die verwendet werden können, um mit negativen Gefühle besser umzugehen.
1. Gewohnheit: Wertschätzung und Dankbarkeit vermitteln
Diese Aktivität beinhaltet, sich bei Menschen zu bedanken, die freundliche Dinge für Sie getan haben. Dies schließt sowohl kleinere als auch größere Freundlichkeiten ein (6).
So koennen Sie einen Brief an einen Grundschullehrer*in schreiben, der/die Sie dazu inspiriert hat, Ihr Bestes zu geben oder Ihren Nachbar*in besuchen, um ihm mitzuteilen, wie bedeutend seine/ihre Anwesenheit ist. Machen Sie jemanden begreiflich, was er oder sie für Sie getan hat, wie viel das für Sie bedeutet und dass Sie die Person schätzen.
Diese Danksagungen bringen den Empfängern große Vorteile, aber noch größere Vorteile für die Person, die die Dankbarkeit ausdrückt. Die meisten Menschen, die solche Verhaltensweisen und Aktivitäten durchführen, berichten noch Tage oder sogar Wochen später über positive Gefühle.
2. Gewohnheit: Ein mentalen Wellnesstag und Selbstfürsorge
Betrachten Sie es wie einen Urlaub im 5-Sterne Hotel: Es geht darum, einen Tag voller positiver Erfahrungen zu gestalten, den Sie in den Ferien machen würden. Hierdurch reduziert sich Ihr Stress, den Sie unter normalen Tagen haben.
Es funktioniert unter den gleichen Bedingungen wie die anderen positivitätsfördernden Übungen – eine Zunahme positiver emotionaler Zustände kann ein größeres Gefühl von Optimismus und Resilienz bewirken – und es hat den zusätzlichen Vorteil, dass Stressoren für den Tag minimiert werden.
Dies kann eine schöne Unterbrechung von chronischem Stress und eine Chance sein, sich emotional zu erholen. Gestalten Sie dazu einen Tag voller Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen.
3. Gewohnheit: Bestmögliches Selbst vorstellen
Dazu gehört es, sich vorzustellen – Sie haben es erraten – wie Ihr bestmögliches Selbst aussehen würde. Diese Übung hebt nachweislich die Stimmung und bringt ein Gefühl von Optimismus, wobei beide Aspekte dauerhafte Vorteile bringen können (7). Diese Übung kann als Tagesbuchübung oder einfach als Visualisierungstechnik durchgeführt werden, aber im Grunde beinhaltet sie, sich Ihr Leben in der Zukunft vorzustellen. Wie würde Ihr bestmögliches Leben oder die bestmögliche Version Ihrer selbst aussehen?
Die Forschung hat gezeigt, dass Menschen, die sich zwei Wochen lang fünf Minuten am Tag von ihrem besten Selbst vorstellen, eine positivere Stimmung und einen erhöhten Optimismus erfahren als Menschen, die die gleiche Zeit damit verbracht haben, einfach nur über die Aktivitäten ihres Tages nachzudenken. Für gerade mal fünf Minuten am Tag ist dies eine großartige Zeitnutzung und Investition in sich selbst.
Quellenverzeichnis
- An, S., Ji, L. J., Marks, M., & Zhang, Z. (2017). Two sides of emotion: exploring positivity and negativity in six basic emotions across cultures. Frontiers in psychology, 8, 610.
- Fischer, A. H. (2018). Comment: The emotional basis of toxic affect. Emotion review, 10(1), 57-58.
- Kleiman, E. M., Chiara, A. M., Liu, R. T., Jager-Hyman, S. G., Choi, J. Y., & Alloy, L. B. (2017). Optimism and well-being: A prospective multi-method and multi-dimensional examination of optimism as a resilience factor following the occurrence of stressful life events. Cognition and Emotion, 31(2), 269-283.
- Spinhoven, P., van Hemert, A. M., & Penninx, B. W. (2017). Experiential avoidance and bordering psychological constructs as predictors of the onset, relapse and maintenance of anxiety disorders: One or many?. Cognitive Therapy and Research, 41(6), 867-880.
- Kirkland, T., Gruber, J., & Cunningham, W. A. (2015). Comparing happiness and hypomania risk: A study of extraversion and neuroticism aspects. PloS one, 10(7), e0132438
- Layous, K., Sweeny, K., Armenta, C., Na, S., Choi, I., & Lyubomirsky, S. (2017). The proximal experience of gratitude. PloS one, 12(7), e0179123.
- Carrillo, A., Rubio-Aparicio, M., Molinari, G., Enrique, Á., Sánchez-Meca, J., & Baños, R. M. (2019). Effects of the Best Possible Self intervention: A systematic review and meta-analysis. PloS one, 14(9), e0222386.
Weitere Literaturempfehlung
- Meevissen, Y. M., Peters, M. L., & Alberts, H. J. (2011). Become more optimistic by imagining a best possible self: Effects of a two week intervention. Journal of behavior therapy and experimental psychiatry, 42(3), 371-378.
- Garland, E. L., Fredrickson, B., Kring, A. M., Johnson, D. P., Meyer, P. S., & Penn, D. L. (2010). Upward spirals of positive emotions counter downward spirals of negativity: Insights from the broaden-and-build theory and affective neuroscience on the treatment of emotion dysfunctions and deficits in psychopathology. Clinical psychology review, 30(7), 849-864.
- Sims, C. M. (2017). Second wave positive psychology coaching difficult emotions: Introducing the mnemonic of’TEARS HOPE‚. The Coaching Psychologist, 13(2), 66-79.
- Lomas, T., & Ivtzan, I. (2016). Second wave positive psychology: Exploring the positive–negative dialectics of wellbeing. Journal of Happiness Studies, 17(4), 1753-1768.