Eines vorweg: negative Gedanken loswerden ist schier unmöglich. Sie unterliegen nicht unserer bewussten Kontrolle. Viel eher sollte man versuchen, einen besseren Umgang mit ihnen zu vereinbaren. Dabei ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen, denn negatives Denken kann zu Problemen wie sozialer Angst, Depression, Stress und geringem Selbstwertgefühl beitragen.
Der Schlüssel zur Änderung negativer Gedanken besteht darin, das eigene aktuelle Denken zu verstehen (und die daraus resultierenden Probleme) und dann Strategien anzuwenden, um diese Gedanken zu ändern oder ihre Wirkung zu verringern.
Unsere Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen sind alle miteinander verbunden, daher beeinflussen unsere Gedanken, wie wir uns fühlen und handeln. Da wir alle von Zeit zu Zeit nicht förderliche Gedanken haben, ist es wichtig zu wissen, was zu tun ist, wenn sie auftauchen. Hierdurch kann man verhindern, dass der eigene Alltag durch ein negatives Gedankenkarussell beeinträchtigt wird.
Oft kann eine Therapie helfen, um negative Gedanken zu ändern. Zugleich können Sie mithilfe der im folgendem Artikel befindlichen Schritte versuchen, Ihr Denkmuster selbständig anzupassen.
1.Übung: Achtsamkeit und Selbsterkenntnis üben
Achtsamkeit hat ihre Wurzeln in der Meditation. Es ist die Praxis, sich von Ihren Gedanken und Gefühlen zu lösen und diese stattdessen als Beobachter von außen zu betrachten. Achtsamkeit kann einem helfen, sich seinen eigenen Gedanken bewusster zu werden und ein größeres Selbstbewusstsein aufzubauen.
Achtsamkeit zielt darauf ab, Ihre Beziehung zu Ihren Gedanken zu ändern (1). Versuchen Sie, Ihre Gedanken und Gefühle im Kopf als vorbeitreibende Objekte zu betrachten, die Sie pausieren und beobachten oder an Ihnen vorbeiziehen lassen können.
Machen Sie sich bewusst, wie sich Ihre Gedanken auf Ihre Gefühle und Verhaltensweisen auswirken. Beobachten Sie Ihre Gedanken. Fragen Sie sich: Ist dieser Gedanke hilfreich? Welchem Zweck dient der Gedanke? Wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken?
Das Ziel der Achtsamkeit besteht darin, Ihre emotionalen Reaktionen auf Situationen beeinflussen zu können, indem Sie dem denkenden Teil Ihres Gehirns erlauben, die Kontrolle zu übernehmen. Es wurde die Theorie aufgestellt, dass die Praxis der Achtsamkeit die Fähigkeit erleichtern kann, mit Gedanken offener und flexibler umzugehen. Zugleich erlaubt Achtsamkeit es einem, seinen inneren Kritiker zu enttarnen und sich gegen ihn zu wehren.
Außerdem ergab eine Studie hierzu, dass Menschen, die eine Achtsamkeitspraxis praktizierten, weniger negative Gedanken hatten, nachdem sie negativen Bildern ausgesetzt waren. Dies deutet darauf hin, dass Achtsamkeit die Auswirkungen negativen Denkens verringern kann (2).
2.Übung: Identifizieren Sie Ihre negativen Gedanken
Während Sie Ihre Gedanken beobachten, arbeiten Sie daran, kognitive Verzerrungen und Negativität zu identifizieren und zu benennen.
Wenn Sie zum Beispiel dazu neigen, sich in jeder Situation als erfolgreiche oder erfolglose Person zu betrachten, dann neigen Sie zum „Schwarz-Weiß“-Denken (dichotomes Denken), wobei es noch weitere negative Gedankenmuster gibt.
Kognitive Fehler und Verzerrungen
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Voreilige Schlussfolgerungen ziehen
Diese Verzerrung beinhaltet, Annahmen darüber zu treffen, was andere denken oder negative Annahmen darüber, wie sich die Ereignisse entwickeln werden.
Katastrophisieren
Dieses negative Gedankenmuster und Form von Grübeleien zeichnen sich dadurch aus, dass man immer davon ausgeht, dass das schlimmstmögliche Ergebnis eintreten wird, ohne wahrscheinlichere und realistischere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Übergeneralisierung
Diese Verzerrung zeichnet sich durch die Tendenz aus, vergangene Ereignisse auf alle zukünftigen Erfahrungen zu übertragen. Dies kann negative Erfahrungen als unvermeidbar erscheinen lassen und zu Ängste und Sorgen beitragen.
Etikettierung
Wenn Menschen sich selbst negativ charakterisieren, beeinflusst dies, wie sie sich in verschiedenen Kontexten fühlen. Jemand, der sich zum Beispiel als „schlecht in Mathematik“ bezeichnet, wird oft Selbstzweifel bei Aktivitäten und Inhalten haben, die diese Fähigkeit beinhalten.
„Muss“-Denken
Wenn das Denken durch „muss“-Aussagen (absolutes Fordern) gekennzeichnet ist, trägt dies zu einer negativen Perspektive bei, indem man nur daran denkt, was man etwas tun „muss“. Solche Aussagen sind oft unrealistisch und führen dazu, dass sich die Menschen machtlos und pessimistisch in Bezug auf ihre Fähigkeit und ihrem Erfolg fühlen.
Emotionale Argumentation
Hierbei neigt man dazu, etwas abhängig von der eigenen emotionalen Reaktion als wahr oder falsch zu beurteilen. Wenn Sie sich zum Beispiel nervös fühlen, würden Sie aus emotionalen Überlegungen schließen, dass Sie in Gefahr sein müssen. Dies kann negative Gefühle erzeugen und die Angst verstärken.
Personalisierung und Schuldzuweisungen
Dieses Denkmuster beinhaltet, Dinge persönlich zu nehmen, auch wenn sie nicht persönlich an Sie gerichtet sind. Es führt oft dazu, dass Menschen sich für Dinge verantwortlich machen, über die sie keine Kontrolle haben.
Nicht-förderliche Denkmuster unterscheiden sich auf subtile Weise. Aber sie alle beinhalten Verzerrungen der Realität und irrationale Sichtweisen auf Situationen und Menschen.
Bei diesem Schritt sollten Sie negative Gedanken identifizieren und diese als solche betrachten. Jetzt, da Sie den Gedanken beobachtet haben, können Sie ihn als nicht förderlichen Gedanken kennzeichnen. Vielleicht können Sie sogar den zugrundeliegenden kognitiven Fehler erkennen. Beobachten Sie ihn einfach und benennen Sie ihn.
Halten Sie nun inne, um den Gedanken als das zu akzeptieren, was er ist: Es ist nur ein Gedanke. Und Gedanken sind keine Tatsachen.
Zusammenfassend:
Es gibt viele verschiedene Arten von kognitiven Verzerrungen, die zu negativem Denken und kognitiven Fehlern beitragen. Mehr über diese Verzerrungen zu lernen und sich daran zu erinnern, dass Gedanken keine Fakten sind, kann helfen, die Macht dieser negativen Denkmuster zu verringern.
3.Übung: Ersetzen Sie negative Gedanken
Einer der grundlegenden Bestandteile eines Behandlungsplans mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) ist die kognitive Umstrukturierung. Dieser Prozess hilft Ihnen, negative Gedanken zu erkennen und in förderliche und anpassungsfähigere Reaktionen umzuwandeln.
Ob in der Therapie oder allein, kognitive Umstrukturierung umfasst einen graduellen Prozess, bei dem negative Gedanken identifiziert, auf ihre Richtigkeit überprüft und dann ersetzt werden.
Hier ist es ratsam, Beweise zu finden, die den Gedanken entweder unterstützen oder widersprechen. Auf diese Weise können Sie Ihre innere kritische Stimme in Frage stellen und nach Alternativen suchen, die hilfreicher und realistischer sind.
Obwohl es anfangs schwierig ist, mit diesem neuen Denkstil zu denken, werden mit der Zeit und mit Übung positive und rationale Gedanken sich natürlicher anfühlen.
Kognitive Umstrukturierung in 6 Schritten
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Kognitive Umstrukturierung kann Ihnen helfen, Ihre Gedanken infrage zu stellen, indem man folgende Schritte und Tipps berücksichtigt:
- Fragen Sie sich, ob der Gedanke realistisch ist.
- Denken Sie daran, was in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen passiert ist und bewerten Sie, ob Ihre Gedanken mit dem, was passiert ist, übereinstimmt oder ob es Abweichungen gibt
- Hinterfragen Sie den Gedanken aktiv und suchen Sie nach alternativen Erklärungen.
- Denken Sie daran, was Sie gewinnen und was Sie verlieren würden, wenn Sie weiterhin an den Gedanken glauben.
- Erkennen Sie, ob Ihre Gedanken tatsächlich das Ergebnis einer kognitiven Verzerrung sind, wie etwa einer Katastrophierung.
- Überlegen Sie, was Sie einem Freund:in mit dem gleichen Gedanken sagen würden (3).
Konzentrieren Sie sich auf das Positive, um die negativen Gedankenmuster im Zusammenhang mit Depressionen zu bekämpfen. Fragen Sie sich, ob aus Ihrer aktuellen Situation etwas Gutes herauskommt ?(4)
Jedoch sollten Sie nicht negative Gedanken übermäßig durch unrealistische, positive Gedanken ersetzen. Wenn die alternativen Gedanken nämlich nicht realistisch sind, sind sie auch nicht hilfreich.
Sie möchten sich nicht auf ein Scheitern einstellen, indem Sie den Gedanken durch etwas ersetzen, das möglicherweise nicht realistisch ist. Eine hilfreichere Herangehensweise könnte sein, sich zu fragen, was Sie in dieser Situation zu einem Freund sagen würden.
Wenn Sie z.B. denken: „Ich bin ein Versager*in „/“Ich werde scheitern“, dann hilft es nicht, jenen Gedanken mit dem absoluten Gegenteil wie „Ich weiß, dass ich erfolgreich sein werde“ zu ersetzen.
Stattdessen sollte man etwas Neutraleres und Mitfühlendes verwenden, wie ‚“Ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde, aber ich versuche mein Bestes“
Eine Studie ergab, dass bereits eine einzige kognitive Umstrukturierungsintervention den Menschen half, negative Gedanken und Vorurteile zu reduzieren, die eine Rolle bei der Entstehung von Angstzuständen spielen (5).
4.Übung: Vermeiden Sie einen Gedankenstopp
Gedankenstopp ist das Gegenteil von Achtsamkeit. Es ist der Akt, nach negativen Gedanken Ausschau zu halten und darauf zu bestehen, dass sie gestoppt und beseitigt werden.
Das Problem beim Gedankenstopp ist, dass je mehr Sie versuchen, Ihre negativen Gedanken zu stoppen, desto mehr drängen sie sich auf. Dies wird als Rebound-Effekt bezeichnet. An dieser Stelle ist Achtsamkeit vorzuziehen, weil sie Ihren Gedanken weniger Gewicht verleiht und die Auswirkungen und Belastungen, die sie auf Sie haben, verringert.
Experten glauben, dass der Rebound-Effekt, der nach dem Versuch, negative Gedanken zu stoppen, stattfindet, viel schädlicher ist (6). Stattdessen empfehlen Psychologen im Allgemeinen, Wege zu finden, um direkter mit den negativen Gedanken umzugehen.
Das Stoppen des Gedankens oder der Gedankenspirale scheint kurzfristig zu helfen, führt jedoch mit der Zeit zu mehr Angst.
5.Übung: Üben Sie den Umgang mit Kritik
Neben der kognitiven Umstrukturierung ist die „eigene Selbstverteidigung“ im Rahmen der KVT gerade für Menschen mit sozialer Angst hilfreich (7).
Da es durchaus vorkommt, dass Menschen einen kritisieren oder verurteilen, ist es wichtig, dass Sie mit Ablehnung und Kritik umgehen können.
Dieser Prozess wird normalerweise in der Therapie mit einem Rollenspiel zwischen Ihnen und Ihrem Therapeuten durchgeführt, um Ihre Durchsetzungsfähigkeit und durchsetzungsfähige Reaktion auf Kritik aufzubauen. Diese Fähigkeiten werden dann durch Hausaufgaben auf die reale Welt übertragen.
Wenn Sie beispielsweise im wirklichen Leben mit Kritik konfrontiert werden, können Sie mit einer Reihe von schlagfertigen und assertiven Antworten ausgestattet sein, um mit diesen potenziell angstauslösenden Situationen umzugehen.
Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass es auch hilfreich sein kann, sich potenziellen „sozial unangenehmen Situation“ zu stellen, die normalerweise zu Angst und negativem Denken beitragen (8).
Das Ziel der Verbesserung Ihrer Fähigkeit, mit Kritik und Ablehnung umzugehen, besteht darin, Ihre Toleranz gegenüber dem Stress, den diese Dinge verursachen können, zu erhöhen, was Ihre automatischen negativen Zwangsgedanken bekämpfen kann.
6.Übung: Benutzen Sie ein Gedankentagebuch
Gedankentagebücher können als Teil jedes Prozesses verwendet werden, um negatives Denken zu ändern. Gedankentagebücher helfen Ihnen, negative Denkstile zu identifizieren und ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, wie Ihre Gedanken (und nicht die Situationen, in denen Sie sich befinden) Ihre emotionalen Reaktionen verursachen.
Die meisten KVT-Behandlungspläne beinhalten die Verwendung eines Gedankentagebuchs als Teil der regelmäßigen Hausaufgaben.
Zum Beispiel könnte ein Gedankentagebucheintrag den Denkprozess einer Person bei einem Date und die emotionalen und körperlichen Reaktionen, die aus negativen Gedankenstrom resultieren, aufschlüsseln. Am Ende der Gedankenanalyse können Sie irrationale Gedanken über Ablehnung durch hilfreichere und positivere Denkweisen ersetzen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind negative Gedanken?
Negative Gedanken umfassen negative Überzeugungen, die Sie möglicherweise über sich selbst, Situationen oder andere Dinge haben. Sie können Ihre Stimmung beeinflussen (9) und können bei bestimmten psychischen Erkrankungen als grundlegender Bestandteil vorliegen (10). Beispiele sind: „Ich werde nie gut genug sein“, „Sie müssen denken, dass ich dumm bin, wenn ich das sage“, „Diese Situation wird schlecht ausgehen.“
Warum habe ich negative Gedanken?
Negative Gedanken sind weit verbreitet. Möglicherweise haben Sie negative Gedanken, weil wir mehr von negativen als von positiven beeinflusst werden, oder vielleicht haben Sie eine leichte Tendenz des negativen Denkens. Es ist auch möglich, dass negatives Denken evolutionär gesehen dem Überleben diente (11). Negative Gedanken können als Folge kognitiver Verzerrungen auftreten. Sie können Symptome von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angstzuständen sein (12).
Was ist ein Gedankenkarussell?
Ein Gedankenkarussell setzt sich aus wiederkehrenden Gedanken und fortlaufendem Grübeln zusammen, was meist sehr belastende oder selbstkritische Inhalte umfassen kann. Durch ihren starken Fokus auf das vorliegende Problem ohne die Suche nach einem hilfreichen Lösungsansatz neigen Menschen mit einem Gedankenkarussell zu erhöhtem Stress und Unruhe. Oft kehren diese Gedanken nachts, wenn man im Bett liegt, zurück und beeinträchtigen den Schlaf.
Abschlusswort von Mentalwohl
Wenn Sie mit negativen Gedankenmustern zu kämpfen haben und dies Ihr Leben beeinflusst, sollten Sie in Erwägung ziehen, mit einem Psychologen zu sprechen. Während es schwierig sein kann, die Gedanken, die Sie haben, mit jemandem zu teilen, können Therapeuten Ihre negativen Gedankenmuster einschätzen und Ihnen helfen, ein gesünderes inneres Selbstgespräch zu führen.
Bedenken Sie, dass der Prozess der Veränderung negativer Gedanken keine schnelle Lösung ist. Es fällt einem zu Beginn nicht leicht und braucht Zeit, aber mit Übung wird es einfacher und Sie können neue automatische Gedanken erstellen, die Ihrem Wohlbefinden und Ihrer Lebensfreude besser dienen.
Quellenverzeichnis
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- Kiken, L. G., & Shook, N. J. (2014). Does mindfulness attenuate thoughts emphasizing negativity, but not positivity?. Journal of research in personality, 53, 22-30.
- Clark, D. A. (2013). Cognitive restructuring. The Wiley handbook of cognitive behavioral therapy, 1-22.
- Johns Hopkins Medicine . Major depression.Verfügbar auf: https://www.hopkinsmedicine.org/health
- Shikatani, B., Antony, M. M., Kuo, J. R., & Cassin, S. E. (2014). The impact of cognitive restructuring and mindfulness strategies on postevent processing and affect in social anxiety disorder. Journal of Anxiety Disorders, 28(6), 570-579.
- Magee, J. C., Harden, K. P., & Teachman, B. A. (2012). Psychopathology and thought suppression: A quantitative review. Clinical psychology review, 32(3), 189-201.
- Greenberger, D., & Padesky, C. A. (2015). Mind over mood: Change how you feel by changing the way you think. Guilford Publications.
- Fang, A., Sawyer, A. T., Asnaani, A., & Hofmann, S. G. (2013). Social mishap exposures for social anxiety disorder: An important treatment ingredient. Cognitive and behavioral practice, 20(2), 213-220
- Stay positive. Verfügbar auf: https://www.mhanational.org/stay-positive
- Gellman, M. D., & Turner, J. R. (Eds.). (2013). Encyclopedia of behavioral medicine (pp. 1303-1304). New York, NY, USA:: Springer
- Norris, C. J. (2021). The negativity bias, revisited: Evidence from neuroscience measures and an individual differences approach. Social neuroscience, 16(1), 68-82.
- Trick, L., Watkins, E., Windeatt, S., & Dickens, C. (2016). The association of perseverative negative thinking with depression, anxiety and emotional distress in people with long term conditions: A systematic review. Journal of psychosomatic research, 91, 89-101