Körperdysmorphe Störung: Der unsichtbare Kampf im Spiegel

Stell dir vor, du schaust in den Spiegel und siehst ein verzerrtes Bild von dir selbst, so als würdest du durch eine Linse schauen, die jede kleine Unvollkommenheit überproportional vergrößert. Das ist ein bisschen so, wie Menschen mit körperdysmorpher Störung die Welt und sich selbst sehen.

In diesem Artikel tauchen wir tief in das Thema der körperdysmorphen Störung ein. Wir werden die Definition, Statistiken und verschiedene Formen dieser Erkrankung beleuchten. Außerdem erfährst du, wie man sie diagnostiziert, welche Ursachen sie hat und welche Behandlungsmöglichkeiten existieren. Schließlich gehen wir der Frage nach, ob plastische Chirurgie eine Lösung bieten kann.

Zusammenfassung:

  • Körperdysmorphe Störung ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die eine übermäßige Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen mit sich bringt.
  • Plastische Chirurgie ist oft keine effektive Lösung für Menschen mit KDS und kann die Symptome sogar verschlimmern.
  • Professionelle Hilfe durch Therapie und Medikamente ist der effektivste Weg, um die Symptome von KDS zu behandeln und ein erfüllteres Leben zu führen.

Körperdysmorphe Störung – Was ist das?

Du schaust in den Spiegel und siehst etwas, das andere nicht sehen. Eine kleine Unvollkommenheit, die in deinen Augen riesig erscheint. Du kannst nicht aufhören, darüber nachzudenken, und es beeinflusst deinen Alltag. Wenn dir das bekannt vorkommt, könnte es sich um eine Körperdysmorphe Störung (KDS) handeln. Aber was genau ist das? Lass uns tief eintauchen und dieses komplexe Thema entwirren.

Definition

Körperdysmorphe Störung ist eine psychische Erkrankung, bei der die Betroffenen übermäßig besorgt über wahrgenommene körperliche Mängel sind, die für andere oft nicht sichtbar oder nur minimal sind. Es ist mehr als nur Unsicherheit; es ist eine Besessenheit, die das tägliche Leben beeinträchtigen kann.

Statistiken

Du bist nicht allein. Studien zeigen, dass etwa 1-2% der Bevölkerung von KDS betroffen sind. Interessanterweise sind Männer und Frauen fast gleich häufig betroffen.

Formen

KDS ist nicht nur auf das Aussehen beschränkt. Es kann verschiedene Formen annehmen:

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Negative Glaubenssätze überwinden
  • Muskeldysmorphie: Besessenheit von der Muskelmasse
  • Hautdysmorphie: Übermäßige Sorge um Hautunreinheiten
  • Haardysmorphie: Besessenheit von der Haardichte oder -farbe

Folgen

Die Auswirkungen von KDS können gravierend sein:

  • Soziale Isolation: Die Angst vor negativem Urteil kann dazu führen, dass man soziale Kontakte meidet.
  • Depression: Die ständige Selbstkritik kann zu Depressionen führen.
  • Suizidgedanken: In extremen Fällen können Suizidgedanken auftreten.

Wenn du Suizidgedanken hast, wende dich bitte an die Telefonseelsorge unter 0800.1110111, um Unterstützung und Hilfe von einem ausgebildeten Berater zu erhalten. Wenn du oder ein Angehöriger in unmittelbarer Gefahr bist, rufe die 112 an.

Körperdysmorphe Störung: Anzeichen

Du hast vielleicht schon mal den Spruch gehört: “Schönheit liegt im Auge des Betrachters.” Aber was, wenn der Betrachter in deinem eigenen Spiegelbild steckt und du einfach nicht aufhören kannst, dich selbst zu kritisieren? Dann könnten das Anzeichen einer Körperdysmorphen Störung (KDS) sein. Lass uns die häufigsten Symptome durchgehen.

Extreme Beschäftigung mit kleinen oder eingebildeten Makeln

Stell dir vor, du würdest jeden Tag stundenlang vor dem Spiegel stehen, nur um einen winzigen Makel zu finden, den sonst niemand bemerkt. Das ist mehr als nur Unsicherheit; es ist eine fixe Idee, die deinen Alltag bestimmt.

Übermäßige Zeit für das Kaschieren von Makeln

Ob es das stundenlange Auftragen von Make-up ist oder der ständige Wechsel der Frisur und Kleidung – der Versuch, vermeintliche Makel zu verbergen, kann viel Zeit in Anspruch nehmen.

Kauf von Produkten oder plastische Chirurgie zur Veränderung des Aussehens

Manche Menschen mit KDS greifen zu drastischen Maßnahmen wie plastischer Chirurgie, um ihre wahrgenommenen Makel zu “korrigieren”, oft mit dem Ergebnis, dass sie immer noch nicht zufrieden sind.

Spiegelverhalten

Das kann in beide Richtungen gehen: Entweder du vermeidest Spiegel komplett oder du kannst nicht aufhören, dich darin zu betrachten. Beides sind Warnzeichen.

Verstecken bestimmter Körperteile

Das Tragen von weiten Kleidungsstücken oder Accessoires, um bestimmte Körperteile zu verbergen, ist ein weiteres häufiges Symptom.

Wiederholte Verhaltensweisen und ständige Rückversicherung

Ob es das ständige Hautpicken ist oder die unaufhörliche Suche nach Bestätigung von anderen – diese Verhaltensweisen können sehr belastend sein.

Vernachlässigung anderer Lebensbereiche

Die Besessenheit mit dem eigenen Aussehen kann so weit gehen, dass andere wichtige Aspekte des Lebens, wie Arbeit, Schule oder soziale Kontakte, vernachlässigt werden.

Schwere Folgen bei Nichtbehandlung

Unbehandelt kann KDS zu ernsthaften Problemen führen. Über die Hälfte der Betroffenen sind unverheiratet, und mehr als 20% sind arbeitslos. Schlimmer noch, etwa 20% versuchen aufgrund ihrer Verzweiflung über ihr Aussehen, sich das Leben zu nehmen.

Körperdysmorphe Störung: Diagnose nach ICD-11

Die Diagnose einer psychischen Erkrankung ist oft ein komplexer Prozess, der eine gründliche Untersuchung und Bewertung erfordert. Bei der Körperdysmorphen Störung (KDS) ist das nicht anders. Laut der ICD-11, der internationalen Klassifikation von Krankheiten, gibt es spezifische Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine Diagnose zu stellen.

Diagnosekriterien

  • Übermäßige Sorge um körperliche Makel: Die Betroffenen sind extrem besorgt über kleine oder nicht vorhandene körperliche Makel.
  • Zeitaufwand: Die Betroffenen verbringen oft zwischen drei und acht Stunden täglich damit, über ihre wahrgenommenen Makel nachzudenken.
  • Beeinträchtigung des Alltags: Die Besorgnis muss so intensiv sein, dass sie den Alltag der Person beeinträchtigt.

Dauer der Symptome

Die Symptome müssen für eine bestimmte Dauer anhalten, oft mehrere Monate, um als chronisch betrachtet zu werden.

Diagnoseprozess

  1. Erstgespräch: Ein ausführliches Gespräch mit einem Facharzt für Psychiatrie oder Psychologie ist der erste Schritt.
  2. Fragebögen und Skalen: Verschiedene diagnostische Tools können verwendet werden, um die Schwere der Symptome zu bewerten.
  3. Ausschluss anderer Erkrankungen: Es ist wichtig, andere psychische oder physische Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen könnten.
  4. Familienanamnese: Manchmal wird auch die medizinische Vorgeschichte der Familie berücksichtigt.

Körperdysmorphe Störung: Ursachen

Du hast vielleicht schon mal den Spruch gehört: “Alles hat einen Grund.” Bei der Körperdysmorphen Störung (KDS) ist dieser Grund jedoch oft nicht so einfach zu identifizieren. Forscher sind sich einig, dass eine Kombination aus verschiedenen Faktoren zur Entstehung von KDS beiträgt. Lass uns diese genauer betrachten.

Genetik
Ja, du hast richtig gehört. Deine Gene könnten eine Rolle spielen. Zwillingsstudien haben ergeben, dass genetische Faktoren etwa 44% der Varianz in den Symptomen der KDS erklären können. Das bedeutet, wenn jemand in deiner Familie KDS hat, könnte das Risiko für dich ebenfalls erhöht sein.

Trauma
Leider ist die Verbindung zwischen Trauma und KDS ziemlich stark. Viele Menschen mit KDS berichten von Mobbing in der Schule oder sogar von Kindesmissbrauch. Bis zu 79% der Menschen mit KDS haben in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt.

Persönlichkeitsmerkmale
Manche Persönlichkeitsmerkmale machen dich anfälliger für KDS. Wenn du zum Beispiel ein Perfektionist bist oder eine hohe Sensibilität für Ästhetik hast, könnte das Risiko für die Entwicklung einer KDS erhöht sein.

Begleiterkrankungen
Oft tritt KDS nicht allein auf. Viele Menschen mit KDS haben mindestens eine weitere psychische Erkrankung. Besonders häufig sind das Zwangsstörungen (OCD), soziale Angststörungen (SAD) oder Essstörungen wie Anorexia nervosa.

Körperdysmorphe Störung: Behandlung

Wenn du oder jemand, den du kennst, an KDS leidet, ist der erste Schritt zur Besserung die richtige Behandlung. Es gibt verschiedene Ansätze, die sich als wirksam erwiesen haben. Lass uns einen Blick darauf werfen.

Psychotherapie (Gesprächstherapie)

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Diese Therapieform hilft dir, deine Ängste und Depressionen besser zu verstehen und zu bewältigen. Du lernst, deine Glaubenssätze zu hinterfragen und zwanghafte Verhaltensweisen zu kontrollieren.

Medikation

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs): Studien zeigen, dass Antidepressiva wie SSRIs bei 53% bis 70% der Menschen mit KDS wirksam sind. Oft ist eine langfristige Einnahme notwendig, um die Symptome zu reduzieren.

Selbsthilfe

  • Aufmerksamkeitsfokus ändern: Versuche, deine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken. Das kann durch alltägliche Aufgaben oder durch Meditation geschehen.
  • Selbstmitgefühl üben: Menschen mit höherem Selbstmitgefühl haben weniger Symptome einer KDS. Versuche, dir selbst gegenüber genauso freundlich und verständnisvoll zu sein, wie du es bei einem Freund tun würdest.
  • Tagebuch führen: Das Aufschreiben deiner Gedanken und Gefühle kann dir helfen, deine Ängste besser zu verstehen und zu bewältigen.
  • Negative Vorhersagen reduzieren: Bevor du in eine stressige Situation gerätst, schreibe deine Ängste auf und versuche, realistischere Erwartungen zu formulieren.
  • Soziale Unterstützung suchen: Ob in der Familie, im Freundeskreis oder in speziellen Selbsthilfegruppen – Unterstützung kann Wunder wirken.

Körperdysmorphe Störung: Hilft plastische Chirurgie?

Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn dieser eine “Makel” an dir einfach verschwinden würde? Du bist nicht allein. Aber was, wenn dieser Gedanke dein Leben kontrolliert? Dann könnte es sich um eine körperdysmorphe Störung handeln. In diesem Beitrag erfährst du, ob plastische Chirurgie eine Lösung für dieses Problem ist.

Plastische Chirurgie als Lösung?

Viele Menschen glauben, dass eine ästhetische Operation die Antwort auf ihre Probleme sein könnte. Aber ist das wirklich so? Studien zeigen, dass plastische Chirurgie oft nicht die erhoffte Erleichterung bringt. In einigen Fällen können die Symptome sogar schlimmer werden.

Warum plastische Chirurgie oft nicht hilft

  • Unrealistische Erwartungen: Menschen mit KDS haben oft unrealistische Vorstellungen davon, wie sie nach der Operation aussehen sollten.
  • Verschlimmerung der Symptome: In einigen Fällen kann die Operation die Besessenheit mit dem eigenen Aussehen sogar verstärken.

Was ist die Alternative?

Wenn du denkst, dass du an KDS leidest, ist der erste Schritt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Therapie und Medikamente können oft effektiver sein als eine Operation.

Fazit: Plastische Chirurgie ist nicht immer die Antwort auf Probleme mit dem eigenen Aussehen, besonders wenn eine körperdysmorphe Störung im Spiel ist. Bevor du den Schritt zu einer Operation wagst, solltest du andere Behandlungsoptionen in Betracht ziehen.

Abschlusswort von Mentalwohl

Du bist mehr als dein Spiegelbild, mehr als die Summe deiner äußeren Merkmale. Wenn du dich in diesem Artikel wiedererkannt hast, möchte ich dir Mut machen: Es gibt Wege aus der Spirale der Selbstkritik und des Leidens. Du bist nicht allein, und professionelle Hilfe kann dir die Werkzeuge an die Hand geben, um ein erfüllteres Leben zu führen. Den ersten Schritt zu machen, erfordert Courage, aber du bist stärker, als du vielleicht denkst. Du verdienst es, dich selbst zu lieben und von anderen geliebt zu werden, genau so, wie du bist.

Häufig gestellte Fragen

  • Was ist Körperdysmorphe Störung und wie erkenne ich sie?

    Körperdysmorphe Störung (KDS) ist eine psychische Erkrankung, bei der die Betroffenen eine verzerrte Wahrnehmung ihres eigenen Körpers haben. Sie sind oft besessen von vermeintlichen Makeln, die für andere kaum oder gar nicht sichtbar sind. Ein häufiges Anzeichen ist das ständige Überprüfen des Aussehens im Spiegel und die Suche nach Bestätigung von anderen. Wenn jemand in deinem Umfeld ständig fragt: “Wie sehe ich aus? Findest du meine Nase auch komisch?”, könnte das ein Hinweis auf KDS sein.

  • Wie häufig kommt Körperdysmorphe Störung vor?

    KDS tritt bei etwa 2-3% der Erwachsenen und 4% der Jugendlichen in Deutschland auf. Damit ist sie sogar häufiger als Essstörungen, obwohl sie weniger bekannt ist.

  • Kann plastische Chirurgie bei Körperdysmorpher Störung helfen?

    Plastische Chirurgie ist in der Regel keine effektive Behandlung für KDS. Viele Betroffene haben bereits kosmetische Eingriffe vorgenommen, die jedoch meist wenig erfolgreich waren und die Besorgnis über den vermeintlichen Makel sogar verstärken können.


Quellen

  1. Singh AR, Veale D. Understanding and treating body dysmorphic disorderIndian J Psychiatry. 2019;61(Suppl 1):S131-S135. doi:10.4103/psychiatry.IndianJPsychiatry_528_18
  2. Krebs G, Fernández de la Cruz L, Mataix-Cols D. Recent advances in understanding and managing body dysmorphic disorderEvid Based Ment Health. 2017;20(3):71-75. doi:10.1136/eb-2017-102702