Stell dir vor, du fährst ein Auto, aber die Kontrolle über Gas und Bremse wechselt unvorhersehbar. Mal rast du mit Vollgas voraus, mal trittst du abrupt auf die Bremse. So ähnlich kann sich eine bipolare Störung anfühlen. Es ist, als ob jemand anderes die Kontrolle über deine Emotionen hat, und du weißt nie, wann der nächste Stimmungswechsel kommt.
In diesem Artikel tauchen wir tief in die Ursachen der bipolaren Störung ein. Wir werden uns mit genetischen Faktoren, der Gehirnstruktur, sozialen Einflüssen und Umweltauslösern beschäftigen. Außerdem werfen wir einen Blick auf das Diathese-Stress-Modell, das erklärt, wie verschiedene Faktoren zusammenwirken können, um eine bipolare Störung auszulösen oder zu verschlimmern.
Zusammenfassung:
- Bipolare Störungen haben vielfältige Ursachen, die von genetischen Faktoren über die Gehirnstruktur bis hin zu sozialen und umweltbedingten Einflüssen reichen.
- Das Diathese-Stress-Modell bietet eine umfassende Erklärung, die sowohl die körperliche Veranlagung als auch externe Stressfaktoren berücksichtigt.
- Die Forschung ist ständig im Wandel, und es gibt Hoffnung für bessere Behandlungsmöglichkeiten und ein besseres Verständnis der Erkrankung.
Bipolare Störungen: Ursachen und Risikofaktoren
Bipolare Störungen sind komplexe psychische Erkrankungen, die durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet sind. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von genetischen Faktoren über neurologische Aspekte bis hin zu sozialen und umweltbedingten Einflüssen. In diesem Abschnitt werden wir uns auf die verschiedenen Ursachen konzentrieren, die zur Entstehung einer bipolaren Störung beitragen können.
1. Ursache: Genetische Faktoren
Die Frage, ob bipolare Störungen vererbt werden können, ist ein heiß diskutiertes Thema in der Forschung. Studien an Familien, Zwillingen und Adoptivkindern geben uns jedoch wertvolle Einblicke.
Familienstudien
In Familien, in denen bereits eine Person an einer bipolaren Störung leidet, ist das Risiko für nahe Verwandte (Eltern, Geschwister, Kinder) ebenfalls erhöht, eine affektive Störung zu entwickeln. Das Risiko ist deutlich höher als in Familien, in denen keine bipolare Störung auftritt.
Zwillingsstudien
Besonders aufschlussreich sind Studien mit eineiigen Zwillingen. Wenn ein Zwilling an einer bipolaren Störung leidet, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der andere Zwilling ebenfalls betroffen ist, zwischen 40% und 70%. Bei zweieiigen Zwillingen sinkt diese Wahrscheinlichkeit auf etwa 5% bis 10%.
Warum ist das wichtig?
Eiige Zwillinge teilen 100% ihrer Gene, während zweieiige Zwillinge nur etwa 50% der Gene gemeinsam haben. Dies unterstreicht die Bedeutung genetischer Faktoren bei der Entstehung einer bipolaren Störung.
Fazit: Es gibt überzeugende Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von bipolaren Störungen spielen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Gene allein nicht ausreichen, um die Erkrankung auszulösen. Sie erhöhen lediglich die Anfälligkeit, insbesondere wenn andere Risikofaktoren hinzukommen.
2. Ursache: Gehirnstruktur (Neurologie)
Wenn wir über die neurologischen Ursachen der bipolaren Störung sprechen, kommen wir nicht umhin, das Neurotransmitter-System zu erwähnen. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe im Gehirn, die eine Schlüsselrolle bei der Stimmungsregulation spielen. Medikamente, die diese Botenstoffe beeinflussen, werden oft zur Behandlung von Stimmungsstörungen eingesetzt.
Hoch und Tief der Botenstoffe
Studien haben gezeigt, dass ein unausgewogenes Verhältnis von Neurotransmittern wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin mit Stimmungsstörungen in Verbindung steht. Dabei ist nicht unbedingt die absolute Menge eines einzelnen Neurotransmitters entscheidend, sondern vielmehr das Verhältnis zwischen ihnen.
Rezeptorensensibilität
Ein weiterer interessanter Ansatzpunkt ist die Sensibilität der Rezeptoren auf den Nervenzellen. Einige Studien deuten darauf hin, dass Veränderungen in der Empfindlichkeit dieser Rezeptoren ebenfalls eine Rolle spielen könnten.
Noch viele Fragen offen
Forscher sind sich ziemlich sicher, dass das Neurotransmitter-System zumindest teilweise für die Entstehung von bipolaren Störungen verantwortlich ist. Dennoch ist weitere Forschung nötig, um die genaue Rolle dieses Systems zu klären.
3. Ursache: Soziale Faktoren
Stressige Lebensereignisse können eine wichtige Rolle bei der Auslösung von Stimmungsepisoden bei einer bipolaren Störung spielen. Dabei kann es sich um ganz unterschiedliche Situationen handeln, von einem Todesfall in der Familie bis zum Verlust des Arbeitsplatzes oder der Geburt eines Kindes.
Das Rätsel des Stresshormons
Wie genau Stress eine bipolare Episode auslöst, ist noch nicht vollständig verstanden. Wissenschaftler sind jedoch der Meinung, dass das Stresshormon Cortisol eine Rolle spielt. Stress erhöht den Cortisolspiegel im Körper, was wiederum die Funktionsweise und Kommunikation im Gehirn beeinflusst. Bei Menschen mit Depressionen oder bipolarer Störung können die Cortisolspiegel sogar dann erhöht sein, wenn keine akute Stresssituation vorliegt.
Subjektive Stresswahrnehmung
Was für den einen extrem stressig ist, muss für den anderen nicht zwangsläufig auch so sein. Die Wahrnehmung von Stress ist subjektiv und variiert von Person zu Person.
Der Teufelskreis
Stressige Lebensereignisse können bei anfälligen Personen die ersten Symptome einer bipolaren Störung auslösen. Ist die Erkrankung einmal aktiviert, können psychologische und/oder biologische Prozesse die Störung am Laufen halten, selbst wenn der auslösende Stressor nicht mehr vorhanden ist.
4. Ursache: Umweltauslöser
Depressive Episoden
Nachdem jemand eine bipolare Störung erlebt hat, können selbst kleine Stressfaktoren depressive Episoden auslösen. Zu den Auslösern für depressive Episoden gehören:
- Schlafmangel oder -störungen
- Stressige Lebensereignisse
- Allgemeiner Stress
- Körperliche Verletzungen oder Krankheiten
- Menstruation
- Bewegungsmangel
Manische Episoden
Während die Auslöser für manische und depressive Episoden oft die gleichen sein können, gibt es auch spezifische Auslöser für manische oder hypomanische Episoden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 im Journal of Affective Disorders können dazu gehören:
- Verlieben
- Konsum von aufputschenden Drogen
- Beginn eines kreativen Projekts
- Spätes Feiern
- Urlaub
- Laute Musik
Weitere Faktoren
Darüber hinaus können auch die Zeit nach der Geburt (postpartale Phase) und die Einnahme von Antidepressiva, wie SSRI, eine manische oder hypomanische Episode auslösen.
Das Diathese-Stress-Modell bei einer bipolaren Störung
Wenn wir nach der Ursache für bipolare Störungen suchen, bietet das Diathese-Stress-Modell die beste Erklärung nach dem aktuellen Stand der Forschung. Der Begriff “Diathese” bezieht sich vereinfacht gesagt auf eine körperliche Veranlagung, die eine Person anfälliger für bestimmte Krankheiten macht.
Veranlagung trifft auf Stress
Das Modell besagt, dass jeder Mensch bestimmte körperliche Schwachstellen erbt, die zu Problemen führen können oder auch nicht – je nachdem, welche Stressfaktoren im Leben der Person auftreten.
Geboren mit der Möglichkeit
Im Klartext heißt das: Wenn du eine bipolare Störung hast, wurdest du wahrscheinlich mit der Möglichkeit geboren, diese Störung zu entwickeln, und irgendetwas in deinem Leben hat sie ausgelöst.
Wenn du Suizidgedanken hast, wende dich bitte an die Telefonseelsorge unter 0800.1110111, um Unterstützung und Hilfe von einem ausgebildeten Berater zu erhalten. Wenn du oder ein Angehöriger in unmittelbarer Gefahr bist, rufe die 112 an.
Abschlusswort von Mentalwohl
Wenn du oder jemand, den du kennst, mit einer bipolaren Störung zu kämpfen hat, ist es wichtig zu wissen, dass du nicht allein bist. Die Forschung macht ständig Fortschritte, um die Ursachen besser zu verstehen und effektivere Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Jeder Mensch ist einzigartig, und es gibt keinen “einzigen Weg” zur Genesung. Es ist ein Prozess, und es ist in Ordnung, sich Hilfe zu suchen und den eigenen Weg zu finden. Du bist mehr als deine Diagnose, und es gibt Hoffnung.
Häufig gestellte Fragen
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Kann eine bipolare Störung vererbt werden?
Ja, genetische Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer bipolaren Störung. Wenn in deiner Familie bereits Fälle von bipolarer Störung oder anderen affektiven Störungen bekannt sind, ist das Risiko erhöht, selbst daran zu erkranken. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass genetische Faktoren allein nicht ausreichen, um die Erkrankung auszulösen. Sie erhöhen lediglich die Anfälligkeit, insbesondere wenn andere Risikofaktoren hinzukommen.
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Welche Rolle spielt Stress bei einer bipolaren Störung?
Stress kann sowohl ein Auslöser für depressive als auch für manische Episoden sein. Das Stresshormon Cortisol spielt dabei eine besondere Rolle. Es beeinflusst die Funktionsweise und Kommunikation im Gehirn und kann so zu einer Verschlimmerung der Symptome führen. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass Stress allein nicht die Ursache für eine bipolare Störung ist, sondern eher als Katalysator wirkt.
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Gibt es spezifische Auslöser für manische Episoden?
Ja, es gibt bestimmte Auslöser, die speziell manische oder hypomanische Episoden hervorrufen können. Dazu gehören beispielsweise das Verlieben, der Konsum von aufputschenden Drogen, der Beginn eines kreativen Projekts oder auch laute Musik. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass nicht jeder, der solche Auslöser erlebt, zwangsläufig eine manische Episode durchläuft.
Quellen
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