Stell dir vor, du hast einen gebrochenen Arm. Du würdest wahrscheinlich ohne Zögern zum Arzt gehen, um die notwendige Behandlung zu erhalten. Aber was ist, wenn du an einer psychischen Erkrankung leidest? Die Chancen stehen gut, dass du zögerst, aus Angst vor dem Stigma, das damit verbunden ist. Experten schätzen, dass einer von vier Menschen eine klinisch relevante psychische oder emotionale Störung hat. Dennoch suchen bis zu 75 % der Europäer und Amerikaner nicht die Hilfe, die sie brauchen.
In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt der Stigmatisierung ein. Wir werden die Bedeutung und Definition des Begriffs klären, einen Blick auf die Geschichte der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen werfen und die verschiedenen Arten von Stigmata vorstellen. Außerdem erfährst du, welche Folgen Stigmatisierung haben kann und wie du dich dagegen wehren kannst.
Zusammenfassung:
- Stigmatisierung ist ein weit verbreitetes Phänomen, das besonders im Bereich der psychischen Gesundheit gravierende Auswirkungen hat.
- Die Folgen der Stigmatisierung reichen von sozialer Isolation und schlechtem psychischen Wohlbefinden bis hin zu praktischen Problemen wie Schwierigkeiten bei der Jobsuche.
- Trotz der Herausforderungen gibt es effektive Wege zur Bekämpfung der Stigmatisierung, einschließlich Aufklärung, Unterstützung und dem offenen Dialog über psychische Gesundheit.
Stigmatisierung: Bedeutung & Definition
Stigma ist wie ein unsichtbares Brandmal, das Menschen aufgrund bestimmter Merkmale oder Zustände tragen. Es handelt sich um eine negative Einstellung oder Diskriminierung, die jemandem aufgrund eines Unterscheidungsmerkmals wie einer psychischen Erkrankung, eines Gesundheitszustands oder einer Behinderung entgegengebracht wird. Aber es geht noch weiter: Stigmatisierung ist der Prozess, der dieses Brandmal erst erschafft und festigt. Dabei können Geschlecht, Sexualität, Rasse, Religion und Kultur als Auslöser dienen.
Die Forschung zeigt, dass Stigmatisierung einer der Hauptfaktoren ist, die die psychische Gesundheit negativ beeinflussen können. Sie führt nicht nur zu Verzögerungen in der Behandlung, sondern verringert auch die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die Hilfe bekommt, die er wirklich braucht.
Stigmatisierung psychischer Erkrankungen: Geschichte
Die Geschichte der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen ist so alt wie die Menschheit selbst. Früher wurden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft als besessen oder als Werkzeuge des Teufels angesehen. Die “Behandlungen” waren dementsprechend grausam und weit entfernt von dem, was wir heute als medizinisch sinnvoll betrachten. Ein Beispiel ist die Trepanation, bei der ein Loch in den Schädel geschlagen wurde, um vermeintlich “böse Geister” zu vertreiben.
Obwohl die Psychologie und Psychiatrie als Wissenschaften noch relativ jung sind, haben sie bereits enorme Fortschritte gemacht. Trotzdem bleibt das Stigma, oft genährt durch Angst und Unverständnis. Selbst mit dem wachsenden Verständnis für die biochemischen und genetischen Ursachen psychischer Erkrankungen bleibt die Stigmatisierung ein Problem. Medien können dieses Problem noch verschärfen, indem sie psychische Erkrankungen falsch oder sensationell darstellen.
Aber es gibt Hoffnung: Mit fortschreitender Forschung und besseren Behandlungsmethoden könnte die Stigmatisierung schrittweise abnehme
Stigmatisierung: Anzeichen und Merkmale
Stigmatisierung ist nicht immer offensichtlich; sie kann sich in vielen Formen zeigen. Von Filmen, in denen der Bösewicht eine psychische Erkrankung hat, bis hin zu schädlichen Stereotypen und abfälligen Bemerkungen wie “Er ist verrückt” – die Anzeichen sind überall. Selbst Halloween-Kostüme können dazu beitragen, indem sie Menschen mit psychischen Erkrankungen als gewalttätig und gefährlich darstellen.
Trotz aller Fortschritte in der Psychiatrie und Psychologie bleibt das Stigma bestehen. Selbst wenn die Menschen besser über psychische Störungen informiert sind, ist die Stigmatisierung immer noch ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft.
Stigmatisierung und Stigma: Arten
Stigmatisierung ist nicht nur ein externes Phänomen; sie kann auch von innen kommen. Man unterscheidet hierbei zwischen sozialer Stigmatisierung und selbst wahrgenommener Stigmatisierung. Die soziale Stigmatisierung bezieht sich auf die voreingenommenen Einstellungen anderer Menschen gegenüber psychischen Erkrankungen. Selbst wahrgenommene Stigmatisierung hingegen ist ein internalisiertes Stigma, unter dem die betroffene Person selbst leidet.
Studien aus dem Jahr 2013 zeigen, dass die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen immer noch weit verbreitet ist, obwohl die Menschen sich der verschiedenen psychischen Erkrankungen stärker bewusst geworden sind. Und diese Stigmatisierung hat Konsequenzen: Eine Langzeitstudie hat ergeben, dass selbst wahrgenommene Stigmatisierung zu schlechteren Behandlungsergebnissen führt.
Stigmatisierung: Folgen und Auswirkungen
Die Folgen der Stigmatisierung sind weitreichend und können das Leben der Betroffenen massiv beeinträchtigen. Es beginnt oft mit der Zurückhaltung, professionelle Hilfe zu suchen, und zieht einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Von sozialer Isolation und schlechtem psychischen Wohlbefinden bis hin zu Belästigung und Mobbing – die Liste ist lang und erschreckend.
Das Stigma rund um psychische Gesundheit kann sogar so weit gehen, dass es die Lebensqualität und die sozioökonomischen Chancen der Betroffenen mindert. Es kann dazu führen, dass Menschen an sich selbst zweifeln, sich schämen und isolieren. Die Auswirkungen sind nicht nur emotional, sondern auch praktisch: Schwierigkeiten bei der Jobsuche und der Wohnungssuche sind keine Seltenheit.
Gegen Stigmatisierung: Tipps zur Bekämpfung
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Du kannst aktiv etwas gegen die Stigmatisierung tun. Erstens, du bist nicht allein. Mindestens 28 % der Deutschen sind jährlich von einer psychischen Erkrankung betroffen. Zweitens, such dir Unterstützung. Es gibt zahlreiche Organisationen und Dienste, die dir helfen können. Und drittens, sprich darüber. Kläre Mythen auf und informiere deine Mitmenschen. Wenn jemand in deinem Umfeld eine abfällige Bemerkung macht, nutze die Gelegenheit zur Aufklärung.
Die Stigmatisierung mag zwar ein tief verwurzeltes Problem sein, aber mit mehr Aufklärung und Bewusstsein können wir es schrittweise verringern.
Abschlusswort von Mentalwohl
Stigmatisierung ist ein komplexes und tief verwurzeltes Problem, das uns alle betrifft, direkt oder indirekt. Aber es ist wichtig zu wissen, dass wir nicht machtlos sind. Jeder von uns kann einen Unterschied machen, sei es durch Aufklärung, Unterstützung oder einfach nur durch das Zuhören und Verstehen der Menschen um uns herum. Die Reise zur Entstigmatisierung mag lang sein, aber sie ist nicht unmöglich. Und denk daran: Du bist nicht allein. Gemeinsam können wir eine Welt schaffen, in der psychische Gesundheit nicht länger ein Tabuthema ist, sondern ein Teil unserer allgemeinen Gesundheit und unseres Wohlbefindens.
Häufig gestellte Fragen
-
Warum ist die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen so problematisch?
Die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen ist deshalb so problematisch, weil sie eine Barriere für die Suche nach Hilfe darstellt. Viele Menschen zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, aus Angst vor Diskriminierung und sozialer Isolation. Das kann dazu führen, dass sich ihre psychische Gesundheit weiter verschlechtert und sie in einem Teufelskreis aus Leiden und Stigma gefangen sind.
-
Was kann ich tun, um die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen zu bekämpfen?
Es gibt viele Möglichkeiten, wie du aktiv gegen die Stigmatisierung vorgehen kannst. Dazu gehört, dich selbst weiterzubilden und Mythen und Missverständnisse aufzuklären. Wenn du oder jemand in deinem Umfeld von einer psychischen Erkrankung betroffen ist, suche professionelle Hilfe und Unterstützung. Und ganz wichtig: Sprich offen über das Thema, um das Bewusstsein zu schärfen und andere zu ermutigen, dasselbe zu tun.
-
Gibt es Organisationen, die sich gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen einsetzen?
Ja, es gibt zahlreiche Organisationen, die sich auf die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen spezialisiert haben. Diese bieten oft Informationsmaterial, Workshops und andere Ressourcen an, um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und Betroffenen zu helfen. Einige Beispiele sind das Jugendamt, der Sozialpsychiatrische Dienst deines Bezirks und verschiedene Krankenkassen.
Quellen
- Shrivastava, A., Johnston, M., & Bureau, Y. (2012). Stigma of mental illness-1: Clinical reflections. Mens sana monographs, 10(1), 70.
- Kushner, D. S., Verano, J. W., & Titelbaum, A. R. (2018). Trepanation procedures/outcomes: comparison of prehistoric peru with other ancient, medieval, and american civil war cranial surgery. World neurosurgery, 114, 245-251.
- Manderscheid, R. W., Ryff, C. D., Freeman, E. J., McKnight-Eily, L. R., Dhingra, S., & Strine, T. W. (2010). Peer reviewed: evolving definitions of mental illness and wellness. Preventing chronic disease, 7(1).
- Parcesepe, A. M., & Cabassa, L. J. (2013). Public stigma of mental illness in the United States: A systematic literature review. Administration and Policy in Mental Health and Mental Health Services Research, 40(5), 384-399.
- Oexle, N., Müller, M., Kawohl, W., Xu, Z., Viering, S., Wyss, C., … & Rüsch, N. (2018). Self-stigma as a barrier to recovery: a longitudinal study. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 268(2), 209-212.
- DGPPN. Basisdaten Psychische Erkrankungen. Verfügbar auf: online: dgppn [abgerufen am 09.11.2021].