Depersonalisation: Entkomme dem Nebel (2024)

Stell dir vor, du sitzt in einem Kino und schaust dir einen Film über dein eigenes Leben an. Du erkennst die Charaktere, die Handlung, sogar die Umgebung kommt dir bekannt vor. Aber irgendwie fühlst du dich getrennt von all dem Geschehen auf der Leinwand, als ob du nur ein Beobachter deines eigenen Daseins wärst. Dieses Gefühl, als wäre man ein Fremder im eigenen Leben, beschreibt die Essenz der Depersonalisation, ein Zustand, der oft schwer in Worte zu fassen ist.

In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt der Depersonalisation ein. Du erfährst, was genau hinter diesem komplexen Phänomen steckt, wie es sich anfühlt, welche Symptome damit einhergehen und wie es diagnostiziert wird. Wir werden auch die möglichen Ursachen und Risikofaktoren beleuchten und diskutieren, welche Behandlungsoptionen es gibt. Begleite uns auf dieser Reise, um ein tieferes Verständnis für ein Thema zu entwickeln, das oft im Verborgenen liegt.

Zusammenfassung:

  • Depersonalisation ist erkennbar und behandelbar: Durch das Benennen und Anerkennen der Symptome kannst du den ersten Schritt zur Bewältigung der Depersonalisation machen und beginnen, Wege zur Linderung zu finden.
  • Alltägliche Aktivitäten sind ein Anker: Indem du deine Routine beibehältst und dich mit deinem Körper verbindest, kannst du Angst reduzieren und dich wieder im Hier und Jetzt verankern.
  • Unterstützung ist entscheidend: Das Gespräch mit geliebten Menschen, das Identifizieren von Auslösern und die Zusammenarbeit mit Therapeuten können dir helfen, Strategien zu entwickeln, um mit Depersonalisation umzugehen und deine Lebensqualität zu verbessern.

Depersonalisation – Was ist das?

Depersonalisation – das klingt fast wie ein Begriff aus einem Science-Fiction-Roman, nicht wahr? Doch für diejenigen, die es erleben, ist es eine sehr reale und oft beunruhigende Erfahrung. Depersonalisation beschreibt einen Zustand, in dem man sich selbst oder die eigene Umgebung als unwirklich, verändert oder distanziert wahrnimmt. Es ist, als ob eine unsichtbare Wand zwischen einem selbst und der Welt steht.

Die Folgen der Depersonalisation können weitreichend sein und von einer Beeinträchtigung der emotionalen Reaktivität bis hin zu Veränderungen in der Wahrnehmung des eigenen Körpers reichen. Die Forschung hat auch gezeigt, dass die Schwere der Depersonalisation negativ mit der Dicke der Hirnrinde in bestimmten Bereichen des Frontal- und Parietallappens korreliert sein kann, was auf strukturelle Veränderungen im Gehirn hinweist, die mit der Störung zusammenhängen könnten.

Depersonalisation: Symptome & Anzeichen

Stell dir vor, du schaust in den Spiegel und der Blick, der dir entgegenschaut, fühlt sich fremd an. Oder du greifst nach einer Tasse Kaffee und es scheint, als würde eine andere Person diese Bewegung ausführen. Das sind Beispiele für die verwirrenden und oft beängstigenden Symptome der Depersonalisation. Menschen, die unter dieser Störung leiden, berichten häufig von einem Gefühl der Trennung von ihrem Körper oder ihren Gedanken. Es ist, als ob sie die Hauptrolle in einem Film spielen, den sie nicht selbst inszeniert haben.

Die Symptome der Depersonalisation können vielfältig sein und umfassen oft:

  • Emotionale Taubheit: Gefühle, sowohl positive als auch negative, fühlen sich abgestumpft oder gar nicht vorhanden an.
  • Veränderte Wahrnehmung der Realität: Die Welt kann unwirklich oder verzerrt erscheinen, wie durch einen Nebel oder ein Prisma betrachtet.
  • Verändertes Zeitempfinden: Minuten können sich wie Stunden anfühlen oder umgekehrt.
  • Entfremdung vom Selbst: Das eigene Spiegelbild oder Teile des Körpers werden als fremd oder nicht zugehörig empfunden.
  • Gedächtnisprobleme: Schwierigkeiten, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern oder neue Informationen zu behalten.
  • Konzentrationsschwierigkeiten: Alltägliche Aufgaben erfordern plötzlich viel mehr Anstrengung und Aufmerksamkeit.

Diese Symptome können episodisch auftreten, vielleicht nur für einige Minuten oder Stunden, oder sie können chronisch werden und das tägliche Leben stark beeinträchtigen. Wichtig ist, dass diese Erfahrungen nicht mit dem Verlust des Realitätsbewusstseins einhergehen – Menschen mit Depersonalisation wissen, dass ihre Wahrnehmungen nicht der Realität entsprechen, was die Situation oft noch verstörender macht.

Depersonalisation: Diagnose nach ICD-11

Wenn du dich jemals gefragt hast, wie Ärztinnen und Ärzte zu einer Diagnose der Depersonalisation kommen, dann ist der ICD-11 (International Classification of Diseases 11th Revision) der Schlüssel. Dieses weltweit anerkannte Diagnosehandbuch definiert die Depersonalisations-Derealisation-Störung als eine Erkrankung, die durch anhaltende oder wiederkehrende Erfahrungen von Depersonalisation und/oder Derealisation gekennzeichnet ist. Aber was bedeutet das genau?

Depersonalisation wird dabei als das Erleben des Selbst als fremd oder unwirklich beschrieben, oder als das Gefühl, von den eigenen Gedanken, Gefühlen, Empfindungen, dem Körper oder den Handlungen abgetrennt zu sein. Derealisation hingegen ist das Erleben anderer Personen, Objekte oder der Welt als fremd oder unwirklich, wie in einem Traum, entfernt, neblig, leblos, farblos oder visuell verzerrt.

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Die Diagnosekriterien im ICD-11 legen fest, dass während dieser Erfahrungen das Realitätsbewusstsein intakt bleibt. Das bedeutet, dass die betroffene Person weiß, dass diese veränderten Wahrnehmungen nicht der Realität entsprechen. Zudem dürfen diese Erfahrungen nicht ausschließlich während einer anderen dissoziativen Störung auftreten und nicht besser durch eine andere psychische, verhaltensbezogene oder neuroentwicklungsbedingte Störung erklärt werden können. Auch sollten sie nicht auf die direkten Effekte einer Substanz oder Medikation auf das zentrale Nervensystem oder auf eine Krankheit des Nervensystems oder Kopftrauma zurückzuführen sein.

Für eine Diagnose ist auch wichtig, dass die Symptome eine signifikante Belastung oder Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, bildungsbezogenen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen des Funktionierens verursachen.

Der Diagnoseprozess selbst kann eine gründliche medizinische und psychologische Bewertung umfassen, einschließlich einer detaillierten Anamnese und möglicherweise auch neuropsychologischer Tests. Ziel ist es, andere mögliche Ursachen auszuschließen und ein umfassendes Bild der Symptome und ihrer Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Person zu erhalten.

Depersonalisation: Ursachen & Risikofaktoren

Hast du dich jemals gefragt, warum manche Menschen durch ein Labyrinth aus nebligen Gedanken wandern, das wir Depersonalisation nennen? Die Wissenschaft hat noch nicht alle Antworten, aber sie hat Licht auf einige der Pfade geworfen, die in dieses Labyrinth führen können. Die Ursachen der Depersonalisation sind so vielfältig wie die Menschen, die davon betroffen sind, und doch gibt es gemeinsame Fäden, die diese verwirrenden Erfahrungen verbinden.

  • Psychologischer Stress ist einer der Hauptakteure auf dieser Bühne. Er kann durch traumatische Ereignisse wie Missbrauch, Unfälle oder den Verlust eines geliebten Menschen ausgelöst werden. Diese Ereignisse können so überwältigend sein, dass die Depersonalisation als eine Art mentaler Schutzmechanismus erscheint, der einen sicheren Abstand zwischen der Person und ihren schmerzhaften Emotionen schafft.
  • Angststörungen sind ein weiterer Risikofaktor. Sie können das Gefühl der Entfremdung verstärken, da sie den Körper in einen ständigen Alarmzustand versetzen, was zu einer Überlastung des Nervensystems führen kann. Dies kann wiederum die Wahrnehmung der Realität beeinflussen und zu Depersonalisation führen.
  • Genetische Veranlagung spielt ebenfalls eine Rolle. Wenn in deiner Familie Fälle von Depersonalisation oder anderen dissoziativen Störungen bekannt sind, könnte das dein Risiko erhöhen, selbst solche Erfahrungen zu machen.
  • Substanzgebrauch kann auch ein Auslöser sein. Bestimmte Drogen, wie Cannabis oder Halluzinogene, können vorübergehende Zustände der Depersonalisation hervorrufen, die bei manchen Menschen zu anhaltenden Problemen führen können.
  • Biologische Faktoren, wie Ungleichgewichte in der Chemie des Gehirns oder Funktionsstörungen in den Bereichen des Gehirns, sind für die Verarbeitung von Emotionen und die Wahrnehmung verantwortlich. Diese können die Art und Weise beeinflussen, wie wir uns selbst und die Welt um uns herum erleben.

Wenn wir Angst erleben oder in einen Zustand von “Kampf oder Flucht” geraten, verlangsamt sich unser Blutfluss. Das Blut wird zu unseren Extremitäten – Armen und Beinen – umgeleitet, anstatt zu unserem Kopf, was das leichte, “außerhalb des Körpers” Gefühl der Depersonalisation verursachen kann.

Depersonalisation: Behandlung

Psychotherapie

Psychotherapie bietet einen geschützten Raum, in dem du deine Erfahrungen und Gefühle ohne Urteil erforschen kannst. Speziell bei Depersonalisation kann eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) helfen, die Gedankenmuster, die zur Depersonalisation beitragen, zu identifizieren und zu verändern. Eine andere Form, die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), kann effektiv sein, um zu lernen, wie man Emotionen reguliert und Stress bewältigt.

Für diejenigen, die Traumata erlebt haben, kann eine traumafokussierte Therapie wie die EMDR-Therapie (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) hilfreich sein, um die Verarbeitung dieser tiefgreifenden Erfahrungen zu unterstützen. Es ist wichtig, mit einem Therapeuten oder Psychologen zusammenzuarbeiten, der Erfahrung mit der Behandlung von Depersonalisation hat.

Medikamente

Während es keine spezifischen Medikamente gibt, die ausschließlich für die Behandlung von Depersonalisation zugelassen sind, können bestimmte Medikamente helfen, die Symptome zu lindern, insbesondere wenn sie mit Angst oder Depression verbunden sind. Antidepressiva, insbesondere SSRIs (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), können helfen, die Stimmung zu stabilisieren und Angst zu reduzieren. In einigen Fällen können auch Anti-Angst-Medikamente oder bestimmte Antikonvulsiva hilfreich sein.

Es ist entscheidend, dass die Medikation immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgt und als Teil eines umfassenden Behandlungsplans betrachtet wird, der auch Psychotherapie und Selbsthilfestrategien umfasst. Medikamente können Symptome lindern und die Therapie unterstützen, aber sie sind oft nicht die alleinige Lösung.

Selbsthilfe

Depersonalisation kann sich anfühlen, als würde man neben sich stehen, getrennt von der eigenen Person und Umgebung. Doch es gibt Wege, sich dieser Herausforderung zu stellen und sie zu überwinden. Hier sind einige Schritte, die dir helfen können, dich wieder geerdet und verbunden zu fühlen.

1. Benenne deine Gefühle und teile sie mit Vertrauten

Der erste Schritt, um mit Depersonalisation umzugehen, ist, sie zu erkennen und zu benennen. Wenn du deine Erfahrungen in Worte fasst, gibst du deinen Gefühlen Legitimität. Der Austausch mit nahestehenden Personen kann dich weniger allein fühlen lassen. Studien zeigen sogar, dass das Anerkennen bestimmter Emotionen – wie Traurigkeit, Wut und Schmerz – deren Intensität verringern kann. Dies kann wiederum dein Stresslevel senken und Raum für positive Gefühle schaffen.

2. Gehe deinen alltäglichen Aktivitäten nach

Es mag paradox klingen, aber „normalen“ Tätigkeiten nachzugehen, kann der schnellste Weg zurück zur Normalität sein. Wenn du dich isolierst und über seltsame Empfindungen oder existenzielle Gedanken grübelst, schüttet das nur Öl ins Feuer. Versuche, deine Ruhe zu finden, aber bleibe in Bewegung. Jeder Moment ist eine neue Chance, von vorne zu beginnen.

3. Verbinde dich mit deinem Körper

Bewusstsein darüber zu entwickeln, wie du dieses Symptom erlebst, kann dir helfen, dich geerdet zu fühlen und zurück in deinen Körper zu kommen. Bewege deinen Körper bewusst, um Angst zu reduzieren und deinen Geist ins Hier und Jetzt zu bringen. Du könntest zum Beispiel:

  • Zum Briefkasten und zurück gehen oder einen langen Spaziergang im Park machen.
  • Einen Eiswürfel in der Hand halten oder über deinen Körper gleiten lassen.
  • Auf der Stelle joggen oder ein paar Hampelmänner machen.
  • Eine Bestandsaufnahme deiner Umgebung machen, indem du fünf Dinge aufschreibst, die du sehen, hören und fühlen kannst.

Es mag anfangs unmöglich erscheinen, aber mit Übung kann achtsame Bewegung ein unglaubliches Werkzeug zur Selbstberuhigung werden.

4. Identifiziere, was deine Angst auslöst

Angst kann wie ein schlechtes Spiel von Whac-A-Mole erscheinen, das zufällig auftaucht. Wenn du jedoch herausfindest, was sie auslöst, kannst du sie stoppen. „Angst ist Information“, sagt mein Therapeut immer. Es ist also keine Überraschung, dass das Verstehen der Ursache deiner Angst dir helfen kann, sie in den Griff zu bekommen.

5. Suche professionelle Hilfe

Für viele ist Gesprächstherapie – insbesondere Psychotherapie – der beste Weg, um Depersonalisation zu überwinden. In meinen schwierigsten Zeiten war die Versicherung, dass es mir wirklich gut geht, alles in meiner Heilungsreise. Es ist ein langer Weg, die Schichten zu erforschen, warum man so ängstlich ist, aber meistens ein erfolgreicher.

Erinnere dich daran, dass Depersonalisation ein häufiges Symptom ist, besonders bei Menschen mit einer Vorgeschichte von Trauma oder Angst. Die Entwicklung von Bewältigungsstrategien, die für dich funktionieren, kann einen Unterschied machen.

Diese Schritte sind leichter gesagt als getan, aber mit der Zeit und Übung absolut machbar. Es wird immer noch schwierige Tage geben, aber mit jedem Tag wächst das Vertrauen in dich selbst, dass alles wirklich in Ordnung sein wird.

Abschlusswort von Mentalwohl

Du bist nicht allein auf dieser Reise. Depersonalisation mag sich anfühlen wie ein stummer Schrei im Echo deines eigenen Geistes, aber es gibt Wege aus der Stille heraus. Mit jedem Schritt, den du unternimmst – sei es, indem du deine Gefühle anerkennst, dich mit deinem Körper verbindest oder professionelle Hilfe suchst –, baust du Brücken zurück zu dir selbst. Erinnere dich daran, dass jeder Moment eine neue Chance ist, frisch zu beginnen. Du hast die Kraft, die Kontrolle zurückzugewinnen und ein Leben zu führen, das von Verständnis, Mitgefühl und Heilung geprägt ist. Bleib stark, bleib hoffnungsvoll und erinnere dich: Dieser Zustand ist vorübergehend, und du bist mehr als fähig, ihn zu überwinden.

Häufig gestellte Fragen

  • Woher kommt Depersonalisation?

    Depersonalisation kann durch schweres Trauma, sei es in der Kindheit oder als Erwachsener, entstehen. Auch starker Stress, wie etwa durch Beziehungsprobleme, finanzielle Sorgen oder berufliche Herausforderungen, sowie Depressionen oder Angstzustände, insbesondere solche mit Panikattacken, können zu Depersonalisation führen.

  • Kann Depersonalisation dauerhaft sein?

    Viele Menschen sorgen sich, ob Depersonalisation ein permanenter Zustand sein kann. Während Depersonalisation oft zusammen mit Derealisation auftritt und manchmal langanhaltend sein kann, ist sie in der Regel nicht permanent. Mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können Betroffene lernen, ihre Symptome zu bewältigen und die Intensität der Episoden zu verringern.

  • Was kann ich tun, um Depersonalisation zu bewältigen?

    Eine wirksame Methode zur Bewältigung von Depersonalisation ist, sich selbst zu erden und die Verbindung zum eigenen Körper zu stärken. Einfache Aktivitäten wie Spazierengehen, das Halten eines Eiswürfels oder das bewusste Wahrnehmen der Umgebung können helfen, die Aufmerksamkeit zurück ins Hier und Jetzt zu bringen. Darüber hinaus kann das Identifizieren von Auslösern für Angstzustände und das Entwickeln von Bewältigungsstrategien mit einem Therapeuten oder einer anderen Fachkraft im Bereich der psychischen Gesundheit sehr hilfreich sein.


Quellen

  1. Lieberman MD, et al. (2007). Putting feelings into words: affect labeling disrupts amygdala activity in response to affective stimuli.
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17576282/
  2. Tibubos AN, et al. (2018). Emotion regulation strategies moderate the relationship of fatigue with depersonalization and derealization symptoms.
    https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165032717310820